Petra Erdely (14)

Ein Sommernachtstraum

Sie dreht den Wasserhahn auf. Ein dünner Strahl fällt in das Becken.

»Unsere Wasserleitung ist kaputt«, sagt sie und sieht ihn an.

»Alles geht einmal zu Ende«, antwortet er.

»Alles?«, fragt sie.

Sie dreht den Wasserhahn wieder zu. Das Becken ist inzwischen voll gelaufen. Er nimmt ein Geschirrtuch.

»Es ist so ruhig heute«, sagt sie und räumt den Tisch ab.

»Hmm…«, meint er, blickt aus dem Fenster.

Die Sonne versinkt langsam hinter den Wolkenkratzern in der Stadt. Jeden Tag das Gleiche: Sie geht unter, um dieselbe Zeit, hinter denselben Häusern, und mit der Dunkelheit kommt diese drückende Stille.

»Was hast du?«, fragt sie und wirft ihm einen kurzen Blick zu.

Er starrt immer noch aus dem Fenster. »Nichts«, sagt er, »alles ist wie immer.«

Sie stellt die gewaschenen Gläser neben die Spüle.

Er tritt näher und beginnt abzutrocknen.

»Wie war dein Tag heute?«, beginnt sie wieder.

»Anstrengend«, antwortet er und stellt das Glas ins Regal.

Der rote Lichtstrahl, der durch das Fenster fällt, färbt sich mit jeder Minute dunkler.

»Was ist denn los?«, fragt sie, »Du warst früher doch auch nicht so still und abweisend.«

»Die Zeiten ändern sich«, meint er, blickt sie an.

Das Zimmer ist inzwischen in ein purpurnes Licht getaucht. Sie schüttelt den Kopf.

»Vielleicht brauchen wir eine Auszeit. Ich meine, wenn wir uns jetzt schon nur noch anschweigen. Vielleicht sollten wir uns sogar trennen«, sagt sie und nimmt den letzten Teller vom Tisch.

»Vielleicht«, sagt er.

Sie seufzt. »Wir kennen uns schon so lange. Wir haben uns immer alles gesagt, jede Minute zusammen verbracht.«

»Vielleicht war es zu viel«, meint er.

»Aber das kann doch nicht sein!«, ruft sie.

Er sieht sie an. Draußen ist die Sonne untergegangen.

Sie schließt die Schränke und lässt das Wasser im Becken aus. Er legt das Geschirrtuch zur Seite.

»Willst du fernsehen?«, fragt sie aufmunternd, »Oder wäre ein kleiner Nachtspaziergang besser?«

»Ich gehe«, sagt er, »aber alleine.« Er verlässt den Raum, das Haus, das Grundstück.

Sie sinkt auf den Hocker.

Das Spülbecken gibt einen gurgelnden Laut von sich. Es ist leer.