Jakob Mähler (9)

Der Zug nach Frankreich

Paul und Franz sind zwei Geschäftsleute, die mit der Bahn nach Frankreich fahren. Beide tragen eine Brille, beide haben blaue Augen, sie sind gleich groß. Nur in einem Punkt, nein sogar in zwei Punkten, unterscheiden sie sich. Paul ist gutmütig und mag jeden, ob Freund oder Feind. Franz ist ernst und gemein. Er trägt ganz moderne Kleidung. Franz dagegen – halt, da kommt eine Durchsage: »Nächster Halt ist Graz, dort steht abfahrbereit der ICE nach Wien!« Okay, nicht so wichtig. Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, Franz bevorzugt noble Kleidung. Die sieht so aus, als würde er gleich zum Vorsitzenden einer großen Firma ernannt. Mittlerweile hat der Zug in Graz gehalten. Ein junges Pärchen bleibt vor dem Abteil stehen. Beim Anblick von Franz gehen sie schnell weiter. Sie setzen sich in das Nebenabteil.

Langsam fährt der Zug weiter. Am Ende des Bahnhofs schlägt ein Mann seinen Hund.

»Schau mal!«, ruft Paul, kurbelt das Fenster herunter und will dem Mann sagen, dass er das gefälligst lassen soll.

Da blöfft ihn Franz an: »Was geht uns das an? Soll sich der Hund doch selbst helfen!«

»Da sieht man mal wieder, wie kaltblütig du bist!«, fährt Paul Franz an und dreht sich weg.

So, jetzt sind es noch sechs Stunden Zugfahrt. Franz studierte gerade, wie viele Mitarbeiter er in diesem Jahr entlassen wird.

Plötzlich bremste der Zug. »Was ist los?«, meckerte Franz. Bei der ruckartigen Bremsung sind die Papiere durch den Raum geflogen. Er sammelte sie vom Boden auf.

Als er fertig ist, geht die Tür auf. »Polizei! Ihre Ausweise bitte!«

Paul und Franz kramen sie heraus. »Aha«, meint der Polizist, »mit der Sauberkeit sind Sie nicht befreundet.« Er zeigt auf Pauls Ausweis, auf dem ein Nutella-Fleck prangt. Dann gibt er ihnen die Ausweise zurück und verlässt das Abteil.

Jetzt entschließen sich Paul und Franz, in den Speisewagen zu gehen. Da sie ganz am Ende des Zuges sind, kommen sie an dem jungen Pärchen und anderen Leuten vorbei zum Speisewagen. Ich verfolge sie. Paul bleibt stehen. Aus einem der Abteile hat er einen leisen, kaum wahrnehmbaren Hilferuf gehört. Franz hat ihn gehört, aber er geht weiter. »Kommst du nun?«, ruft er.

»Nein geh schon mal voraus.«

Er öffnet das Abteil. Eine alte Frau hat ihren Finger in einem dieser aufklappbaren Mülleimer geklemmt. »Ich brauch ihre Hilfe!«, sagt sie matt.

»Warum hat sie die Polizei nicht gefunden?«, fragt Paul, als er mühelos ihren Finger heraus löst.

»Welche Polizei?«

Paul verabschiedet sich von der alten Frau und geht zu Franz. Da nähert sich ein Mann dem Tisch der beiden. Er fragt mit rauer Stimme: »Ist hier noch Platz?« Ohne eine Antwort abzuwarten, setzte er sich. »Hallo, ich bin Niklas. Und ihr?«

»Ich heiße Paul«, sagte Paul.

»Das geht dich nichts an!«, faucht Franz Niklas an.

»Wohl mit dem falschen Fuß aus dem Bett gestiegen?«, erwidert Niklas.

»Jetzt werde bloß nicht frech!«, schreit Franz.

Die beiden sind drauf und dran, sich zu prügeln. Paul drängt sich dazwischen und motzt beide an: »Gewalt ist keine Lösung!«

Gerade wird eine Torte auf den Nachbar Tisch getragen. Darauf steht: »10-jähriges Dienstjubiläum«.

Paul sieht den Hut des Chefkochs auf den Tisch liegen. Aus Jux zieht er ihn an. Gerade in diesem Moment kommt der Zugchef herein. Er bleibt kurz stehen, dann geht er auf Paul zu und ruft: »Danke für diese tolle Torte.«

»Aber«, stottert Paul.

»Kein aber«, ruft der Zugchef. Der echte Chefkoch funkelt ihn böse an. Der Zugchef schneidet die Torte an. Diese Zeit nutzt der echte Chefkoch, um Paul die Mütze vom Kopf zu reißen und ihn wegzuschubsen. Sie gehen wieder ins Abteil.

Plötzlich hält der Zug an. »Was ist denn jetzt? Nicht schon wieder Polizei!«, meckert Franz.

Dann kommt eine Ansage: »Auf unserem Gleis ist ein Güterzug entgleist. Die Ladung hat sich auf alle Schienen verteilt. Wie bitten Sie alle auszusteigen.«

Niklas, Paul und Franz steigen aus dem Zug und ich verliere sie bald aus den Augen.