Dora Roth (11)

Schlaflos

»Elli! Warum schläfst du noch nicht?«, meckerte meine Mutter genervt.

Verstohlen blickte ich in Richtung Uhr. Es war doch erst 11.00 Uhr.

»Es sind doch Ferien«, erwiderte ich, »außerdem läuft hier gerade ein echt toller Gruselfilm. Der geht nur noch 15 Minuten. Darf ich ihn noch zu Ende sehen?«

»Nein«, antwortete Mutter scharf.

Sie bestand darauf, dass ich sofort schlafen ging. Ich wollte keinen Streit mit ihr, also tapste ich die Treppe hinauf in mein Zimmer. Ich hatte ein großes Kribbeln im Bauch. War es wegen des Gruselfilms von eben? Ich hätte besser das Ende sehen sollen. Aber nein! Mutter musste mich ja mit Angst ins Bett schicken. Ja, das war es: Angst! Ich hatte eine ungeheure Angst vor Monstern und Geistern. Auch wenn ich wusste, dass es diese Gestalten in Wirklichkeit nicht gab. Und unter meine Bettdecke gekuschelt, wurde diese Angst nicht weniger schlimm. Im Gegenteil. In diese Angst mischte sich Wut. Wut auf Mutter, die mich immer noch wie ein kleines Kind behandelte. Aber ich benahm mich auch so. Vielleicht half ja Schlafen gegen meine Angst. Ich machte meine Augen zu. Doch das große, rote, schleimige Monster und seine Freunde verfolgten mich. Ich sah sie gemein lachend an mir vorbeilaufen. Schnell öffnete ich die Augen wieder. So lag ich einige Zeit da; in die hinterste Ecke des Bettes verkrochen. Da! Was war das für ein Geräusch gewesen? Ach so, das Fenster stand offen und eine Eule hatte gerufen. Ich traute mich nicht, zum Fenster zu gehen, um es zu schließen. Ich wollte schreien, ich hielt diese Angst nicht mehr aus. Da! Schon wieder ein Geräusch. Es klang, als ob in Mutters Schlafzimmer jemand geschrien hätte. Und gleich darauf waren erregte Stimmen zu hören. Ich versuchte einfach wieder zu schlafen. Ich versuchte, so wenig wie möglich auf die Monster zu achten. Aber einschlafen konnte ich trotzdem nicht. Schon wieder ein unheimliches Geräusch! Ich sag' euch, ich hätte heulen können. Da war das Geräusch schon wieder! Die Monster kamen auf mein Zimmer zu! Jetzt drückten sie die Türklinke herunter. Ich zog mir die Bettdecke über den Kopf und schrie. »Aber, aber«, hörte ich jemanden sagen, »bin ich so Furcht erregend?«

Ich zog die Decke weg. Vor mir stand … meine Mutter. Ich war erleichtert. Sie entschuldigte sich bei mir: »Entschuldige bitte. Ich weiß keinen Grund, warum du den Film nicht zu Ende sehen sollst. Ich habe mir eben im Fernseher des Schlafzimmers den Schluss angesehen und dir aufgenommen.« Ich ging mit Mutter ins Schlafzimmer und wir schauten uns das Ende zusammen an. Und dann tat ich etwas, was manche von euch als kindisch bezeichnen werden: Ich schlief bei meiner Mutter. Das gab mir Sicherheit … und Schlaf.