Judith Schulz (11)

Froschkönig einmal anders

Einst lebte im Märchenland ein reicher König. Er hatte eine Tochter. Sie sah nicht wirklich wie eine Prinzessin aus. Ihr Haar hatte sie abrasiert. Bis auf die Stirnfransen und ein Schwänzchen am Hinterkopf. Und alle diese restlichen Haare waren in den grellsten Farben gefärbt. Meistens war die Königstochter in Leder eingehüllt. Damals war dieses Aussehen noch nicht in, und so wollte niemand sie heiraten. Das machte dem König große Sorgen.

Eines Tages ging die sonderbare Prinzessin zu einem tiefen See, um mit ihrem goldenen Spielzeuggewehr zu spielen. Das war ihre Lieblingsbeschäftigung. Stundenlang konnte sie sich mit dem goldenen Gewehr abgeben.

Die Königstochter setzte sich auf einen großen Stein am Seeufer. Sie tat so, als würde sie mit dem Spielzeug schießen. Laut brüllte die Prinzessin: »Bumm, bumm, tschack, krach!«

Einige Fische nahmen ihr das sehr übel. Doch die junge Frau lachte bloß über die ärgerlichen Wassertiere. Plötzlich fiel ihr das teure Gewehr aus der Hand. Mit einem Platschen plumpste das Spielzeug in den See. Die Königstochter verspürte keinen Trauer, sondern eher großen Zorn. Wütend vor sich hin fluchend überlegte sie, wie man das Gewehr wieder heraus bekommen könnte.

Auf einmal schlug das Wasser hohe Wellen, und ein junger Mann, der eine Krone am Kopf trug, stieg aus dem See. Er lächelte der Verdutzen freundlich zu.

Die Prinzessin tat so, als würde es sie gar nicht verwundern, dass ein Prinz aus dem Wasser vor ihr stand. Sie sagte: »Hallo, kannst du mir bitte mein goldenes Gewehr aus dem See holen?«

Der Mann meinte: »Ich werde dir deinen Wunsch erfüllen, wenn du mich dafür zu deinem Schloss mitnimmst.«

Die Prinzessin ließ ihren Blick über die Gestalt des Prinzen wandern. Dann kam sie zu dem Entschluss, er sei viel zu ordentlich für sie. Die Prinzessin wollte nämlich einen ganz außergewöhnlichen Ehemann. Doch willigte sie ein, denn sie wollte das Gewehr unbedingt wieder haben.

Der Prinz tauchte hinab in den See. Kurze Zeit später kam er mit dem goldenen Spielzeug an die Wasseroberfläche zurück. Er reichte es der Prinzessin. Die Königstochter wollte ihm einfach davon laufen. Doch der Prinz rannte ihr einfach hinter her. Da merkte die Prinzessin, dass der Wasserprinz schneller als sie laufen konnte, und so nahm sie ihn eben mit.

Beim Schloss angekommen, führte die Königstochter ihren Gast in den Speisesaal. Die ganze Königsfamilie war schon versammelt. »Hey, Leute. Dieser Prinz hat mein liebstes Spielzeug aus dem See geholt.«

Der König freute sich sehr über diese Nachricht. Endlich hatte er einen Mann für seine Tochter gefunden.

Nach dem Essen sprang die Königstochter auf und wollte in ihr Zimmer gehen. Doch der König hielt sie zurück. »Nimm deinen Gast mit! Wo bleiben deine Manieren? Du wirst den Prinzen selbstverständlich in deinem Zimmer übernachten lassen.«

»Und wo soll ich schlafen?« fragte seine Tochter entrüstet.

»Auf dem Sofa im Wohnzimmer,« meinte der König.

Voll Zorn verließ die Prinzessin den Saal und knallte die Türe hinter sich zu.

Mitten in der Nacht wachte die Königstochter auf. Das Knarren der Wohnzimmertüre hatte sie aufgeweckt. Im Schein des Mondes erkannte die junge Frau den Prinzen.

Er sagte: »Willst du wieder in dein Bett zurück?«

»Hau ab!« rief die Königstochter.

Der Prinz verlor die Fassung. Er schrie: »Zuerst wollte ich dich heiraten. Aber jetzt…«

Die Prinzessin unterbrach ihn: »Lieber würde ich einen Frosch heiraten, als dich!« Sie schubste den Königssohn gegen die Wand.

Mit einem lauten Knall verwandelte sich der Prinz in einen Frosch.

Leise fragte er: »Willst du mich jetzt heiraten?«

Weil die Königstochter sich schon immer einen besonderen Ehemann gewünscht hatte, willigte sie ein.

Die Hochzeit wurde in aller Pracht gefeiert, und das Froschkönigspaar lebte glücklich bis an sein Lebensende.