Stefanie Maurer (12)

Der Geist im Krug

Ich heiße Fritz; und ich aß gerade mein Frühstück. Mitten auf dem Tisch stand ein Porzellankrug. Ein geheimnisvoller Krug. Er war schwarz und hatte weiße Muster. Doch das Unheimliche war, dass er schon sehr, sehr alt war. Der Krug wurde von Generation zu Generation weitervererbt, hat Kriege überlebt und Schauriges gesehen.

Meine Tante war leider vor kurzem gestorben, darum gehörte der Krug nun mir. Nun schlich ich mich vorsichtig von hinten an den Krug heran, denn in ihm könnte ja ein uralter Geist wohnen, der nicht wollte, dass man sein uraltes Haus mit Wasser für die Blumen füllte.

»Ha!« Glücklich, dass sich der Geist (falls es in meinem Krug überhaupt einen gab) nicht gestört fühlte, schüttete ich das Wasser in den Krug. Die Hälfte des Wassers goss ich zwar daneben, aber das tut jetzt nichts zur Sache. Jetzt steckte ich ein Büschel Löwenzahn in ihn hinein. Die Blumen waren so schön wie noch nie, vielleicht hatte ja der Geist daran seine Kräfte walten lassen.

Aber wenn der Geist Kräfte hatte, könnte er mir doch schöne Dinge beschaffen, nicht?

»Geist, zeige dich! Ich will dich sehen!« rief ich nun und starrte gespannt auf den Krug. Nichts tat sich, also rief ich noch einmal: »Geist, zeige dich!«

Hm, vielleicht sollte ich ihn höflicher anreden? Also: »Liiieber Herrr Geist, könnte ich bitte die große Ehre haaaaben, Iiihre wunderbare Gestaaaalt zu eerbliicken?«

Stirnrunzelnd blickte ich auf das schwarze Ungetüm von einem Krug. »Zeigen Sie sich!« schrie ich noch einmal wütend. Doch im Nu hatte ich die Wut überwunden. Denn ich hatte einen großen Geistesblitz:

Der Geist könnte nämlich auch ein Djinni sein, dann müsste ich nur an dem Krug reiben, und er würde erscheinen, genau wie bei Aladin! In meiner Phantasie sah ich schon das Buch, dass über mich geschrieben werden würde, und »Fritz und die Wunderlampe« heißen würde. So, nun fing ich an zu reiben.

»Djinni?«

Von Mal zu Mal rieb ich jetzt heftiger. Jetzt wurde es mir doch zu blöd, ich bemühte mich und der Dummkopf ruhte sich anscheinend nur aus. Schwitzend musste ich schließlich zur Kenntnis nehmen, dass im Krug doch kein Djinni sein konnte.

Aber es könnte doch ein verfluchtes Burgfräulein sein, oder? Ich tauschte das Büschel Löwenzahn gegen rote Rosen und gab dem Krug einen schmatzenden Kuss, doch nichts rührte sich. Langsam wurde ich verrückt: vielleicht war es Graf Dracula, dann brauchte er Blut, oder es war der Froschkönig, dann musste ich ihn gegen die Wand schmeißen, oder, oder, oder …

Jetzt war es schon dunkel geworden, der Krug stand neben mir auf dem Nachtkästchen. Ich hatte alles versucht, doch der Geist war mir nicht erschienen.

O Schreck, mir fiel gerade ein, Geister gibt es doch gar nicht, war ich dumm, daran glaubten doch nur Babys! Ich griff mir mit der Hand auf die Stirn, war ich blöd. Die ganze Zeit hatte ich verschwendet! Wütend über mich schlief ich nun trotzdem ein. Gute Nacht!

Pong, Pong, Pong … Was war das? Ach so, Mitternacht, die blöden Glocken … Egal, ich würde schnell wieder einschlafen können. Doch halt, Mitternacht? Geisterstunde? Hilfe, da war ein Gespenst in meinem Krug! Mit entsetzten Augen sah ich gerade noch, wie der Geist zum Fenster hinaus schwebte.