Stefanie Maurer (11)

Charlie’s Wein

»Wo ist der Wein!?« brüllte der dicke, fette Millionär Charlie. »Wo ist mein Wein!«

Er starrte einen seiner hundert Diener mit roten Augen an, als ob dieser daran Schuld gewesen wäre. Gefährlich funkelten die Augen des reichen Herren.

»Das Wirtshaus zum Millionär hat seine monatliche Lieferung vergessen«, stotterte der Mann schnell, um nicht von seinem Herrn gefressen zu werden.

»Spanne Pferde ein, ich will diesem Wirtshaus einen Besuch abstatten«, befahl Charlie dem Diener, der keine Ahnung hatte, wie man Pferde in eine Kutsche einspannt.

Als dann schließlich doch das Gefährt bereit stand, kam auch schon der Millionär. Im Eiltempo fuhr die Kutsche zum Gasthaus.

Als der reiche Herr in der Tür stand, verstummten die lustigen Gespräche schlagartig. Der Wirt erblasste, als der Millionär zu schreien begann: »Habt ihr meinen Wein vergessen?«

Schützend hielten die Besucher ihre Hände über ihre Speisen, um den schaumigen Regen, der aus dem Mund eines gewissen Herren stammte, abzuwehren. Die hübschen Mädchen tasteten nach ihren Shampoos in ihren Taschen, um zu sehen, ob sie noch da wären.

Charlie rollte seinen dicken Leib in den Weinkeller hinunter. Wütend, wie er war, trat er das eine Fass so, dass der Wein auszurinnen begann. Die anderen Fässer schraubte er eigenhändig auf, um davon zu kosten.

Er war von dem Wein schon ziemlich betrunken, sodass er vergaß, die Fässer zu schließen. Müde schlief der Millionär, an eine Tonne gelehnt, seinen Rausch aus.

Als er aufwachte, bemerkte er, dass er im Wein stand. Nur sein Kopf schaute noch heraus. Ein andermal wäre er von der Mischung aus Rot-, Weiß-, Ribisel- und Marillenwein entzückt gewesen. Doch jetzt bemerkte er verständlicherweise nichts davon. Langsam bewegte sich der Herr Richtung Kellertreppe. Weil sein Körper aber so verboten dick war, wurden aus jedem kleinen Schritt große Wellen, die den Millionär fast ertrinken ließen. So versuchte Charlie, unter Wasser voran zu kommen.

Jetzt wollte er bei der Kellertreppe auftauchen. Doch sein Kopf stieß hart an eine Stufe. Vor Schreck holte er tief Luft, besser gesagt, tief Wein. Das war selbst ihm zuviel, er ersoff jämmerlich inmitten des guten Weines.

Der Wirt, der Diener und alle, die den Millionär Charlie gekannt hatten, feierten ein ausgelassenes Fest. Doch wer freute sich am meisten? Am meisten freute sich der Erbe.