Silja Kornacher (13)

»Für Elise« etwas anders

Vielsagend schaut Mia ihre Freundin Fatima an. »Was meinst du«, fragt sie und klopft an das Holz, »ob in diesem Klavier ein Geist wohnt? Das könnte doch sein, wer weiss!«

Fatima schaut sie belustigt an und prustet los. »Ein Geist? In deinem Klavier soll ein Geist hausen? Du hast doch nicht mehr alle Tassen im Schrank!«

Beleidigt wendet Mia sich ab. »Ach, vergiss es. War nur so ein Gedanke von mir. Man darf ja zwischendurch mal ein bisschen spinnen, oder etwa nicht?«

In der Nacht kann Mia nicht einschlafen. Stundenlang dreht sie sich von einer Seite auf die andere. Schliesslich bekommt sie Durst. Langsam steht sie auf und tapst zur Küche, wo sie sich ein Glas Wasser einschenkt. Mit gierigen Schlücken trinkt sie. Und als sie da so steht und trinkt, hört sie plötzlich ein Geräusch.

Mit klopfendem Herzen geht sie zur Tür und macht diese einen Spalt breit auf. Jetzt hört sie nichts mehr.

»Da hab ich mich wohl getäuscht!« denkt sie. Doch da hört sie wieder diese Stimme. Es ruft sie jemand! Ja, da ruft jemand ganz deutlich ihren Namen! Mit weichen Knien geht sie raus in die Diele.

»Mia! Mia!« Ganz leise hört sie diese Stimme. Sie kommt vom Wohnzimmer! Langsam geht sie hinein. Doch da, weit und breit niemand zu sehen! Gerade will sie sich wieder umdrehen, da tönt es wieder: »Mia! Lauf nicht weg!« Erschrocken dreht das Mädchen sich um.

Die Stimme kommt eindeutig vom Klavier her. Zitternd nähert sie sich dem Instrument. »Mia! Hab keine Angst! Komm, klapp den Deckel auf!« flüstert die Stimme. Mit viel Unbehagen klappt Mia den Deckel des Klaviers hoch und setzt sich auf den Stuhl.

Plötzlich bewegen sich die Tasten wie von Geisterhand. Geisterhand? Mia wird bei der Vorstellung daran schon ganz schlecht. Was ist denn jetzt los? Ohne dass Mia das Klavier berührt, spielt es die Melodie »Für Elise«. Das Mädchen sitzt einfach nur fasziniert da und starrt auf die Tasten.

Plötzlich springt die Wohnzimmertür auf und das zornige Gesicht ihres Vaters taucht im Türrahmen auf. »Wieso um Himmels Willen sitzt du mitten in der Nacht am Klavier und spielst?« fragt er wütend.

Mia schaut ihren Papa erschrocken an. Da spürt sie einen kalten Windhauch, der um sie herumstreicht. Die unbekannte Stimme flüstert leise: »Das wird unser kleines Geheimnis bleiben! Gute Nacht, Mia, bis bald!«

Mia hat sich wieder gefasst und sagt unschuldig zu ihrem Vater: »Entschuldige, Papa. Ich bin wohl schlafgewandelt.«