Silja Kornacher (13)

Schwesternglück und Südseeträume

»Morgen!« gähnt Maggie und wirft sich schlaftrunken auf einen Stuhl am Frühstückstisch. Ihre Schwester Anne grüsst zurück und stellt ihr eine Tasse Kakao hin. »Na, gut geschlafen, Mäuschen?« fragt sie. Maggie nickt und reibt sich die Augen.

»Und, war die Post schon da?« erkundigt sie sich.

Anne schüttelt den Kopf, steht auf und geht zur Türe. Kurz darauf kommt sie mit einem Stapel Briefe wieder.

»Und, was für mich dabei?« Maggie reisst ihrer Schwester die Post fast aus der Hand.

»Sei jetzt nicht so ungeduldig, ich habe sie ja noch gar nicht angeschaut!« beruhigt Anne sie.

Langsam geht sie die Briefe durch. Bei einem stutzt sie. Erstaunt ruft sie: »Huch, was ist denn das? Der sieht ja richtig geschäftig aus. Ausserdem ist es an uns beide adressiert. Soll ich ihn aufmachen?«

Nun kann sich Maggie fast nicht mehr auf dem Stuhl halten. Ungeduldig hüpft sie hin und her und schaut ihre grosse Schwester erwartungsvoll an. Anne öffnet vorsichtig das Kuvert und beginnt zu lesen. Nach ein paar Sätzen legt sie ihn erschrocken auf den Tisch und schnappt nach Luft.

»Das glaube ich nicht!« flüstert sie. Maggie kann es jetzt nicht mehr aushalten. »Was steht denn drin? Bitte, lies vor!« bettelt sie.

Anne beginnt langsam und stockend an zu lesen. Geister oder nicht Geister? Das ist hier die Frage …

»Liebe Anne, liebe Maggie, ich habe leider die Aufgabe, euch eine traurige Mitteilung zu müssen. Euer Grossenkel, Mr.Bao Lin Wingtsu, ist am Wochenende einer schweren Lungenkrankheit unterlegen. Er vermacht euch seinen wertvollsten Besitz, da ihr ja keine Eltern mehr habt. Bei diesem Besitz handelt es sich um …« Anne macht eine kunstvolle Pause. »Jetzt kommt’s, pass auf!«, rief sie, »… eine kleine Insel im Südpazifik. Bitte ruft mich im Laufe der nächsten Woche an, damit wir alles Weitere besprechen können. Herzlichen Dank. Mit freundlichen Grüssen, Notar Bob Kenzy.«

Erwartungsvoll schaut Anne Maggie an. Die starrt sie nur mit grossen Augen an und kriegt den Mund gar nicht mehr zu. Nach ein paar Sekunden findet sie aber ihre Worte wieder.

»Habe ich das richtig verstanden? Wir haben eine Südseeinsel geerbt? Das ist ja voll abgefahren!« Plötzlich erlischt ihr das Lachen im Gesicht und sie sagt fast tonlos: »Onkel Bao ist tot.«

Anne schaut ihre Schwester mitleidig an, nimmt sie tröstend in den Arm und redet ihr gut zu: »Mein kleines Mäuschen, nicht weinen! Er war doch schon so lange krank, es ist besser für ihn!«

Maggie schnieft noch, doch nach einer Weile strahlt sie schon wieder. »Und ich möchte dann einen Vergnügungspark à la Tarzan.«