Lukas Jakopé (13)

Aus Neugier

Linda öffnete die Augen. Sie erinnerte sich nur langsam an das, was passiert war. In ihren Armbeugen hangen Infusionen und eine Blutkonserve. An ihren Handgelenken befanden sich zwei Druckverbände. Sie fühlte sich schwach und hatte Kopfschmerzen. Vor ungefähr einem Monat war alles noch ganz anders gewesen.

»All the things she said, all the things she said, running through my head.«

Linda und Katharina tanzten und hüpften im Zimmer umher. Sie ließen sich aufs Bett fallen.

»Katharina, was hältst du eigentlich von Lesben?« fragte Linda mit einem Lachen auf dem Gesicht.

»Find’ ich abartig. Vor allem wie das aussieht, wenn sie sich auf der Straße gegenseitig ihre Zungen in den Rachen stecken. Ist aber nicht mein Problem!« erwiderte Katharina mit ernster Stimme.

Am nächsten Morgen in der Schule hatten fast alle Mädchen Faltenröcke und weiße Blusen an, so wie es die Girlieband »t.a.t.u« vormachte, weil die das Klischee von Lesben im Kopf hatten. Katharina war ganz empört, wie diese Mädchen an so einen Blödsinn glauben konnten.

Ein paar Tage vergingen, und Katharina dachte immer wieder an das, was Linda gesagt hatte. In der großen Pause wollte sie Linda fragen, was sie mit ihrer Frage gemeint hatte.

»Hast du denn nie darüber nachgedacht, wie es denn wäre, wenn du ein Mädchen küsst?« Linda lächelte Katharina an, aber die sah sie nur zornig an: »Ich hoffe, du kommst wenigstens zu meiner Party!« sagte Linda noch, denn es war der Tag vor Lindas Geburtstag.

Katharina saß im Bett. »Wäre das eigentlich schlimm, wenn man ein Mädchen küssen würde? Außerdem halte ich eigentlich nicht viel von Jungs und war noch nie in einen Jungen verliebt!« sagte Katharina. Nach langem Überlegen kam sie zu einem Entschluss: Sie war verliebt, verliebt in Linda.

Am nächsten Tag wollte Katharina es ihrer Freundin sagen. Es dämmerte schon, als Katharina bei Linda ankam. Die beiden Freundinnen wollten Lindas Geburtstag ganz alleine feiern, so würde Katharina genug Möglichkeit haben, mit Linda zu reden.

Als es gegen Mitternacht war, saßen sie im Bett und erzählten sich Geschichten. Auf einmal sagte Katharina: »Du, Linda!«

»Ja?« fragte Linda und setzte sich neben Katharina.

»Ich muss dir was sagen, ich habe gestern etwas gemerkt. Ähhmm … Was ich dir eigentlich sagen wollte, ist … Also, ich fand eigentlich Mädchen immer schon interessanter als Jungs … Was ich damit sagen will … Ich glaube … ich glaube, ich bin in dich verliebt.«

Nach einer kurzen Pause lächelte Linda. »Dachte ich es mir doch! Du hast schon die ganze Zeit so komisch getan! Aber ich finde das super!«

Linda näherte sich den Lippen von Katharina und küsste sie zärtlich. Nun berührten sie einander sanft an den Armen. Nach einer Weile schliefen sie eng umschlungen ein.

Eine Weile verging, und die Sommerferien waren da. Eines Tages gingen sie in ein Einkaufszentrum. Als sie mitten auf einem Platz standen, gab Linda Katharina einen Kuss.

Als Katharina später zu Hause angekommen war, saß ihre Mutter mit Tränen in den Augen am Küchentisch. »Wie kannst du mir nur so etwas antun! Du bist eine Schande für die Familie. Was werden nur die Leute denken, noch dazu, wo ich im Pfarrgemeinderat Sekretärin bin.«

Katharina rannte auf ihr Zimmer. Ihr Handy läutete. Es war Linda mit weinerlicher Stimme. »Deine Mutter hat meine Mutter angerufen, und nun hat mich mein Vater geohrfeigt. Außerdem möchte ich dir sagen, dass ich alles nur aus Spaß und Neugier gemacht habe.«

Katharina war entsetzt und begann zu weinen. Sie rannte aus dem Haus und zu einem Autobahnübergang. Ihr Herz schlug schneller als je zuvor. Sie stieg auf das Geländer und sprang. Sie fühlte sich für einen Moment frei von allen Sorgen.

Das Telefon läutete. Linda hob den Hörer ab. Es war Katharinas Mutter. »Wie konntest du meiner Tochter das nur antun!« schrie sie mit weinerlicher Stimme. »Was … Was ist los?« fragte Linda mit weinerlicher Stimme.

»Mörderin«, schrie Katharinas Mutter. »Ja, du hast richtig gehört, sie hat sich umgebracht.« Bei den letzten Worten begann die Mutter zu schluchzen. Katharinas Mutter legte den Hörer auf. Linda dachte nach: »Was … Was habe ich getan?«

Sie musste an die schönen Momente mit Katharina denken, und sie meinte: »Wenn Katharina nicht mehr lebt, dann will ich es auch nicht mehr!« Sie ging in ihr Zimmer und schnitt sich mit einem Rasiermesser ihres Vaters die Pulsadern auf.

Als ihre Mutter mit der Wäsche kam, sah sie Linda in einer kleinen Lache aus Blut. Sie schrie auf und rief dann sofort die Rettung.

Nun lag Linda verzweifelt und traurig da. Dabei war es reine Neugier gewesen.