Petra Erdely (12)

Das Café auf der Murinsel

Rosalinde und Wolfgang Mayer, ein älteres Ehepaar, hatten ihr Auto am Kai geparkt und spazierten gerade die Murpromenade entlang.

»Röschen? Hast du Lust, mit mir im Murinsel-Café etwas trinken zu gehen?« fragte Wolfgang. Rosalinde zuckte mit den Schultern. Sie hatte in ihrem Leben eigentlich nie besonders viel geredet.

»Ich schlage vor, wir testen das Cafe. Am Besten gehen wir gleich jetzt hin. Dann werden wir ja sehen, ob es wirklich so gut ist, wie behauptet wird. Außerdem habe ich einen großen Durst«, erklärte er. Seine Frau widersprach nicht, und so betraten sie die Murinsel.

Als sie sich einen Tisch ausgesucht hatten, bestellten sie. »Einen gespritzten Apfelsaft und ein Mineral-Zitron, bitte«, diktierte Herr Mayer dem Kellner. Dieser notierte sich alles und verschwand hinter der Theke.

Plötzlich hörte das Ehepaar einen saugenden Ton, der immer mehr anschwoll und schließlich verklang. »Die Insel geht unter!« kreischte Rosalinde panisch. Es schien, als würde es regnen. Wassermassen ergossen sich über die Glaswand. Ängstlich blickten sie sich um. Draußen war das schönste Wetter. Die Sonne schien, und keine Wolke war zu sehen. Und trotzdem rann Wasser in Strömen von den Fenstern in die Mur.

Der Kellner kam hinter der Theke hervor und brachte die gewünschten Getränke. Rosalinde krallte sich am Hemd des Kellners fest. »Sehen Sie? Wir werden sterben!« rief sie.

Dem Kellner gefiel das gar nicht. »Lassen Sie mich los! Das da draußen ist doch nur die Klimaanlage«, schrie er. Bei dem Versuch, sich aus der Umklammerung zu befreien, fiel ihm das Tablett aus der Hand und auf dem Boden. Nur der Inhalt der Gläser schwappte nicht zu Boden, sondern auf Frau Mayers Kopf. Das war zu viel für sie.

Sie sprang auf und stürmte aus dem Cafe, dicht gefolgt von ihrem Mann. »Und wann zahlen Sie?« schrie ihnen der Kellner nach. Doch das hörten die Beiden gar nicht mehr.

»Eine Frechheit ist das. Und du, lach nicht so blöd. Du bist an allem schuld. Du hast mich dazu verleitet, in dieses Cafe zu gehen«, sagte Rosalinde und stieg in das Mayersche Auto ein.

»Du gehst heute zu Fuß. Als Strafe!« rief sie durch das offene Fenster und fuhr davon. Herr Mayer sah ihr verdutzt nach. So viel hatte sie noch nie auf einmal zu ihm gesagt.