Lena Bodner (11)

Die Schatzsuche

Eines Tages sagte meine Lehrerin zu uns: »In einer Woche ist wieder das alljährliche Schulfest und dieses Mal machen wir eine Schatzsuche.« Laute Jubelworte unterbrachen sie. Doch dann rief sie mitten in den Tumult hinein: »Kinder, seid doch nicht so laut, ich muss euch noch etwas sagen.«

Plötzlich war es wieder still. »Ihr müsst Vierer-Teams bilden, aber bitte in jeder Gruppe zwei Buben und zwei Mädchen. Um zu dem Schatz zu gelangen, werdet ihr Fragen beantworten müssen. Es dürfen pro Gruppe vier Bücher als Nachschlagewerke mitgebracht werden, für den Fall, dass ihr eine Antwort nicht wisst, aber nicht mehr als vier! Übrigens dürfen auch nur die ersten und zweiten Klassen daran teilnehmen.«

»Wie gut, dass ich erst in der zweiten Klasse bin«, dachte ich mir jetzt. Dann läutete die Schulglocke und die Schule war aus.

Im Hof bildeten wir Gruppen. Davonfahrende Busse und wartende Eltern wurden einfach ignoriert. Die Gruppe, in der ich war, war als erstes fertig, denn es war doch klar, dass ich mit meiner besten Freundin Marlies und mit meinem Cousin Peter und dessen Freund Alex in einer Gruppe sein würde.

»Ich bringe einen Atlas mit«, rief Peter und Alex meinte: »Ich bringe ein Biologiebuch mit.« Ich sagte: »Dann nimmt Marlies ein Mathe- und ich ein Englischbuch mit.«

Eine Woche später – wir hatten uns im Unterricht nur mehr über die Schatzsuche unterhalten und wurden deshalb dauernd ausgeschimpft – trafen wir uns wieder im Schulhof, und unsere Frau Direktor begrüßte uns und erklärte die Spielregeln. Als sie fertig war, empörte sich meine Freundin: »Nur vier Fragen sollen wir beantworten und nur, wenn alle richtig sind, bekommen wir die vier Schatzkartenteile, die wir dann zusammensetzen müssen.« Peter unterbrach sie: »Wir sollten losgehen. Hast du den Zettel?«

»Da ist die erste Frage«, rief Marlies und rannte auf sie zu.

»Was heißt Sonne auf Englisch?« las ich vor. »Viel zu leicht«, beurteilte Peter, der gerade die Antwort (sie hieß »sun«)notierte.

»Hier ist die nächste Frage!« rief Alex und zeigte auf einen Baum, der etwa drei Meter entfernt lag. »Buchstabiere das andere Wort für Vater«, sagte Marlies und posaunte sogleich die Antwort aus: »P-A-P-A«

»Ach wirklich?« scherzte ich. »Dann gehen wir jetzt zu dieser Eiche hinüber, weil dort drüben die nächste Frage ist.«

»In welcher Stadt liegt unsere Schule?« stand dort geschrieben.

»Graz«, rief Marlies. »Und die nächste Antwort heißt vier.«

Wir sahen sie verblüfft an und ich stammelte: »Warum …Warum …«

»Wenn ihr Augen im Kopf hättet, würdet ihr sehen, dass hier die Frage hängt«, unterbrach sie mich und deutete auf einen Baum, der hinter der Eiche stand. Die Frage hieß: »Wie viel ist 2+2?«

Wir lachten und liefen dann zu unserer Lehrerin, die uns die Schatzkartenteile gab. Als wir sie zusammengesetzt hatten, rief ich: »Der Schatz liegt in der Höhle hinter dem Schul-Biotop, in der die Frösche manchmal sitzen.«

Als wir ihn hervorgeholt hatten und der Direktorin gezeigt hatten, die uns lobte, feierten wir ein ausgelassenes Fest und teilten den Schatz, der aus niedlichen Tierstickern bestand, unter uns auf.

Am nächsten Morgen in der Schule sagte unserer Lehrerin zu uns: »Es tut mir wirklich Leid, aber die Fragen, die gestern bei der Schatzsuche zu beantworten waren, waren die der ersten Klasse und die Schatzkarte ebenfalls. Ihr werdet den Schatz wohl zurückgeben müssen.« Dann hatte sie für den Rest der Stunde genug zu tun, weil sie eine empörte Klasse beruhigen musste.