Judith Schulz (10)

Verschwunden im Spiegel

»Oh Gott, ist es langweilig hier«, stöhnte Felix. Er war mit seiner Familie in ein Museum gegangen. Hier gab es nichts als alte Sachen. Schrecklich! Doch seine Eltern und die große Schwester Sarah interessierte es anscheinend. Felix schaute in einen alten Spiegel und sagte so zum Spaß und teils aus Langeweile: »Spieglein, Spieglein an der Wand, führe mich in dein Land!«

Plötzlich bekam der Spiegel ein Gesicht und fragte: »Kennwort?«

»Häh?« meinte Felix überrascht.

»Richtig!« antwortete der Spiegel, und plötzlich zog ihn eine unheimliche Kraft an, sodass er in den Spiegel stürzte. Die Schwester Sarah aber hatte es gesehen, und wollte ihn retten.

Felix fand sich auf einer Wiese wieder. Weil er neugierig war, marschierte er den staubigen Weg entlang. Nach ein paar Minuten kam er zu einem Schloss. Vor diesem großen Gebäude saß auf einer morschen Bank ein König. Er winkte Felix herbei, und dieser folgte ihm. Der König sagte: »Bitte, hilf uns und befreie Spiegeleierland von dem bösen Zauberer. Geh hin zu ihm. Er wird dir drei Aufgaben stellen. Wenn du diese erfüllst, verliert er seine Macht, und du kannst zurück in deine Welt.«

Felix nickte und ließ sich den Weg beschreiben. Er fand den Zauberer in einer mit Moos bewachsenen Hütte. Felix musste nicht einmal den Mund aufmachen, als der Zauberer schon sagte: »Die erste Aufgabe ist: Ich muss mich vor dir ekeln.«

Felix dachte zuerst, das sei einfach. Aber nach ein paar Minuten dachte er anders. Er versuchte klar zu denken. Ach ja, warum war er nicht früher darauf gekommen? Ein böser Zauberer mochte sicher keine Liebe. Und Felix gab dem bösen Zauberer einen dicken Schmatz auf die Wange. Das Gesicht des Zauberers wurde abwechselnd grün und blau. Er rief: »Du hast gewonnen! Die zweite Aufgabe ist: Du musst eine Frage beantworten. Sie heißt: Was sagt ein Käfer, wenn ihn Herr Müller fragt: ‚Bist du blöd?‘ Du hast genau zehn Sekunden Zeit für die Antwort.«

Der Zauberer zählte bis zehn. Felix hatte nichts geantwortet. Zerknirscht rief der Zauberer: »Schon wieder richtig! Ein Käfer kann ja nichts sagen. Jetzt haben wir einen weiten Fußmarsch zur dritten Aufgabe.«

Inzwischen war Sarah auch durch den Spiegel gestürzt. Sie saß jetzt auf einem Felsen und ließ traurig ihre Goldkette durch die Finger gleiten. Da kam plötzlich eine Fee des Weges und wollte unbedingt die Goldkette haben.

»Dann küsse diesen Esel unter dem Schwanz!« meinte Sarah und zeigte auf einen Esel, der neben der Fee weidete. Und diese Fee tat es wirklich, bekam die Goldkette und verschwand. Und auch Sarah machte sich eiligst davon.

Felix aber wurde von dem Zauberer zu der Fee, die den Esel gerade unter dem Schwanz geküsst hatte, gebracht und musste ihr und ihrem Hofstaat einen Sack voller Lügen erzählen. Doch nach jeder Lüge sagte die Fee: »Der Sack ist noch nicht voll. Der Sack ist noch nicht voll.«

Seufzend ließ Felix seinen Blick durch das Zimmer schweifen und entdeckte Sarah, die mit der Zeichensprache etwas zeigte. Felix grinste und sagte: »Diese Fee hat den Esel unter dem Schwanz…«

Die Fee schrie: »Der Sack ist schon voll! Der Sack ist schon voll!«

Kaum hatte sie das gesagt, waren Sarah und Felix wieder im Museum. Felix hörte, wie der Spiegel sagte: »Danke, du hast Spiegeleierland gerettet!« Und Felix war froh, wieder daheim zu sein.