Anton Maurer (12)

Eine glückliche Ehe

Herr Meier und Frau Hubner waren zu dem Beschluss gekommen, dass sie heiraten wollten. Dabei wusste Herr Meier noch gar nicht, wie seine zukünftige Frau aussah. Sie hatte ihm telefonisch 100 000 Euro versprochen, wenn er sie nur heiratete.

Es war am Tag der Trauung. Gegen neun Uhr sollte das Fest beginnen. Die Kirche lag zehn Kilometer entfernt, aber gegen 8.30 Uhr war Frau Hubner noch immer nicht aufgetaucht. Herr Meier vertröstete sich darauf, dass sein zukünftiger Schatz früh genug mit einem schnittigen Sportwagen auftauchen würde, und zog sich das Traugewand an. Dann klemmte er einen Blumenstrauß unter den Arm, und stellte sich wartend an das Gartentor.

8.45 Uhr. Nichts. Langsam wurde er nervös. Und als Frau Hubner um 8.50 Uhr noch immer nicht aufgetaucht war, ging er alleine los. Sein zukünftiger Spatz würde ihn schon einholen. Und außerdem; besser zu spät als gar nicht. Aber als um 8.55 Uhr noch immer nichts passiert war, hielten ihn nur noch die versprochenen 100 000 Euro davon ab, einfach umzudrehen und den Termin abzusagen.

Endlich, fünf Minuten nach neun Uhr, überholte ihn ein klappriges Fahrrad, auf dem eine übergewichtige, herrisch aussehende Frau saß. Sie blieb neben ihm stehen und fragte: »Herr Meier?«

Herr Meier erstarrte und riss den Mund auf. Dann schluckte er und fragte: »Sind sie Frau Hubner?«

»In der Tat«, nickte die fette Frau.

Herr Meier fragte entsetzt: »W… wie… was… Wie-wieso h-haben sie so eine Jeans und kein Hochzeitskleid an?!«

»Geschmackssache«, war die spitze Antwort. »Und wenn wir schon dabei sind: Ich kann es absolut nicht leiden, wenn wer an meinem Aussehen herummeckert.«

Herr Meier verbiss sich eine Antwort, und spazierte stumm neben seiner zukünftigen Frau daher. Um dreiviertel zehn standen sie endlich bei der Kirche. Der Pfarrer schien von Frau Hubners Aufzug gar nicht beeindruckt zu sein. Ebenso wenig von der Verspätung, oder der Tatsache, dass kein einziger Hochzeitsgast anwesend war. Er fragte: »Sie versprechen sich also ewige Treue, um…«

»Klar«, fuhr ihm Frau Hubner über den Mund, »aber ich wüßte nicht, was Sie das angeht!«

Ein wenig aus der Fassung geraten, redete der Pfarrer weiter: »Hiermit segne ich…«

Zack, Frau Hubner hatte ihm eine Ohrfeige gegeben. »Und hiermit gebe ich Ihnen eine Ohrfeige!« ahmte sie die Stimme des Pfarrers nach. »Übrigens, habe ich Ihnen schon einmal gesagt, dass Sie sich da nicht einmischen sollen.«

Dann wandte sie sich ihrem rauchenden Ehemann zu. »Komm, wir gehen ins Gasthaus.«

Aufgebracht spazierte ihr Ehemann hinter ihr her. Im Wirtshaus angekommen, brüllte die umgetaufte Frau Hubner, die jetzt Frau Meier hieß, den Kellner an: »Los, etwas schneller bitte!«

Dann schnauzte sie ihn an: »Für mich ein Tagesmenü mit Reis und außerdem noch zwei Toast, ein großes Gulasch und einen Salatteller. Als Nachspeise möchte ich Nusstorte, Kaffee und Kuchen. Zum trinken Cola. Für meinen Mann bitte ein Butterbrot.«

Doch jetzt hatte Herr Meier genug. Er stürmte hinaus und ging nach Hause. Daheim angekommen, wartete schon seine Frau auf ihn. »Endlich kommst du«, keifte sie. »Ich bin mit einem geborgten Ferrari hergefahren, dessen Nutzlast leider nur 250kg betrug. Ich krachte also durch, und du hast jetzt so ca. 50 000 Euro zu bezahlen.«

Herr Meier hatte, nach Luft schnappend, zugehört. »Und was ist mit deinen 100 000 Euro? Du hast doch Geld genug«, ächzte er.

Frau Meier schwieg erstaunt und sagte schließlich: »100 000 Euro? – Ach so, du meinst wohl meine Schulden.«

Ohnmächtig fiel ihr Mann zu Boden.

Frau Meier dachte: »Oh Gott, ist der kleinlich. Wie soll ich ihn nur aufwecken? Naja, ich glaube, am besten ist die sanfteste Methode.«

Sie holte ihren größten Nudelwalker, und schlug ihren Mann auf die Gedächtnishalle.

Brüllend vor Schmerz erwachte Herr Meier. »Du fette Straßenwalze, du…« Er verschwand ins Haus, und schlug die Tür zu. Aus dem Küchenfenster im zweiten Stock schrie er hinunter: »Ab jetzt sind wir nicht mehr verheiratet!« Dann knallte er das Fenster zu.

Frau Meier murmelte: »Na, und wer soll jetzt den Abwasch übernehmen, die Wäsche waschen, bügeln und die Telefonrechnung bezahlen?«

Sie wankte zu ihrem Tagebuch und notierte:

Es ist so traurig, dass ich heulen könnte.
Der 36. Mann hat sich heute von mir
scheiden lassen. Aber trotzdem Rekord:
Zwei Stunden hat es bis jetzt noch keiner
außer ihm bei mir ausgehalten.