Johanna Kompacher (12)

Die Katze

Teil eins

Beate Linger starrte konzentriert auf ihre Fingernägel, die sie sich sorgfältig zurechtfeilte, während ihr Ehemann Harald durch die Fernsehkanäle zappte und dabei seine müden Lider kaum mehr offen halten konnte. Es war schon späte Nacht, aber nachdem die beiden den ganzen Tag nur herumhingen, machte dieser keinen Unterschied zur Nacht. Beate tauchte die Hand in ein Gefäß mit lauwarmen Wasser und plätscherte dabei. Harald sah böse auf. »Geht das nicht leiser?« knurrte er.

Seine Frau sah spöttisch auf ihn herab und trocknete ihre Hände in ein kleines Gästehandtuch, das auf ihrem Schoß lag. Dann erhob sie sich wortlos, ließ Schüssel, Handtuch und Feile einfach liegen und verließ mit festen Schritten das muffige, düstere Wohnzimmer. Haralds Backen hingen herunter wie die eines erbarmungswürdigen, alten Hundes, und sie knallte die Tür hinter sich zu.

Eine schwarze Katze huschte aus der Küche, fast lautlos, und strich um Beates Beine. »Meine Kleine«, flüsterte diese, und ein Lächeln breitete sich auf ihren schmalen Lippen aus.

Die Katze schnurrte behaglich, als ihr Frauchen ihr über den samtigen Kopf strich. Dann folgte sie den Schritten Beates in ihr Zimmer, und als diese mit schnellen Atemzügen in einen unruhigen Schlaf verfiel, lag das schwarze Knäuel auf ihrem Bauch.

°°°

An der rechten Hand hatte Beate einen schmalen, goldenen Ring. Sie benutzte die Hand, um sich Butter auf ihre Semmelhälfte zu streichen, und dabei bemerkte sie seit langem wieder einmal diesen Ring und wusste, dass er sie immer an ihre Hochzeit mit Harald erinnern würde. Grausam. Wie hatte sie diesen Mann nur heiraten können?

Harald nahm einen Schluck aus seiner Kaffeetasse und schlürfte dabei. »Wann lernst du endlich essen?« fuhr seine Frau ihn an.

»Dann, wenn du lernst, deine Klappe zu halten!« schnaubte er und schlürfte noch lauter.

Beate war diesen Ton gewöhnt, aber er erzürnte sie jedes Mal wieder.

»Harald«, begann sie, »es hat keinen Sinn mehr. Lass uns die Scheidung einreichen. Du gehst deiner Wege und ich meiner. Oder glaubst du etwa, das bringt noch etwas, was wir hier machen? Uns gegenseitig anzubrüllen und zu beschimpfen?«

Sie wartete lange auf die Antwort von seiner Seite, obgleich sie sich auf jede unintelligente gefasst machte. Wirklich, sie hätte sich vieles erwartet. Pöbeleien. Dumme Sprüche. Vielleicht hätte er ihr sogar Recht gegeben. Denn sie hatte ja Recht. Immer schon. Aber sie hätte niemals das erwartet, was er dann, nach dieser drückenden Schweigeminute, sagte: »NEIN.«

Anfangs dachte Beate, sie hätte sich verhört. Nein? Wie, Nein? Was soll das heißen, Nein? Nein? Was meinst du mit Nein? Aber sie hatte richtig gehört. Harald hatte ihr nicht zugestimmt, und somit war er gegen die Scheidung, die sie beide endlich trennen würde. Klar, erst einmal war Beate verwundert, und es gab sogar eine Sekunde, in der sie es in Erwägung zog, dass Harald noch etwas an ihr finden könnte. Aber dann dämmerte es ihr, wieso er das nicht wollte. Hier war er sicher. Er lebte von ihrem Geld, lebte in ihrer Wohnung. Wenn sie ging, bekäme er zwar etwas ausgezahlt, aber die Wohnung würde sie sicher behalten. Er säße auf der Straße. Kein Wunder, dass er verweigerte. Es sprang einfach nichts für ihn raus.

Als sie sicher war, damit den Nagel auf den Kopf getroffen zu haben, begann sie zu toben: »Du Schwein! Du mieser Idiot! Du arme Kirchmaus! Denkst wohl, solange du mein Mann bist, hast du hier Rechte und Eigentum, in meiner Wohnung, was? Pah! Dass ich nicht lache! Du bist nichts als ein blöder, unzurechnungsfähiger Säufer! Raus aus meiner Wohnung! Raus aus meinem Leben, klar? Verschwinde!«

Völlig außer Atem wartete Beate auf Haralds Reaktion. Die ließ nicht lang auf sich warten. Er stand wütend auf, hievte seinen üppigen Körper in ihre Richtung und schrie zurück: »Denkst du etwa, ich lasse mir von einem alten Weib was sagen? Du bist genauso nur eine alte, unnütze Schachtel! Kannst dich freuen, dass du noch lebst – und dann willst du mir Vorschriften machen? Soweit kommt’s noch!«

Die beiden starrten sich feindselig an, und schließlich stürmte Beate aus dem Zimmer. Dabei fluchte und schrie sie weiter.

Die schwarze Katze wartete wieder am Türstock, und als das Frauchen vorbeihetzte, folgte sie ihr auf Samtpfoten, strich ihr um die Beine und schnurrte.

°°°

»Liebste Elena, ich weiß überhaupt nicht mehr weiter! Hilf mir doch!« Beate hielt verzweifelt den Telefonhörer umklammert und wartete, bis ihre Freundin Elke Arden etwas sagte. Elke überlegte nicht lang. »Ach, Beate«, seufzte sie, »Unselbstständigkeit war noch nie dein Problem. Drum tu was! Warte nicht einfach ab, Harald wird nie einwilligen, wenn er was zu verlieren hat. Du weißt ja am besten, was für ein Dummkopf er ist. Du suchst dir einfach eine eigene Wohnung! Dann hast du deine Ruhe!«

»Und die Wohnung?«

»Schenk sie ihm! Klar, ist ein Verlust für dich – aber du bist ihn los! Und wenn alles, was dir gehört, weg ist, bleibt ihm eh nicht mehr viel!«

Beate dachte nach. Dann kam sie zu dem Schluss, dass Elena sehr klug war und dass dies eine ausgezeichnete Idee war. Sie wäre Harald los! Sie wäre weg, weg, weg. »Danke, Elli!« rief sie und legte auf. Dann zog sie den goldenen Ring vom Finger und ließ ihn fröhlich lachend zu Boden fallen. Er rollte über den Parkettboden, ehe er unter die Hausschuhe rutschte und dort liegen blieb. Davon bekam sie allerdings nichts mehr mit, sie war schon vor die Tür gerannt, zog ihre schlammigen Turnschuhe an und sprang die Treppe hinunter, um sich nach einer Wohnung umzusehen.

Das Angebot war kärglich. Beate fand kaum leerstehende Wohnungen mit zwei bis drei Zimmern. Die einzig annehmbare, die sie fand, war einfach zu teuer für ihre Geldbörse. Vor allem, wo sie so verschuldet waren.

Wieder zuhause, knallte Beate gefrustet ihre Schuhe auf den Vorleger und schlug die Tür sehr geräuschvoll ins Schloss. Wieder mal lief der Fernseher, und alles stank entsetzlich nach Schweiß, ungelüfteten Zimmern, ungemachten Betten und ungegessenem Essen. Beate wurde von einer gewissen Wut gepackt, stürzte ins Wohnzimmer. Dort lag Harald im Pyjama auf der Couch, sein Blick hing am Fernseher, die Bettdecke zusammengeknüllt am Boden, seine dicken Tennissocken schienen zu qualmen. Ihr Zorn wollte kein Ende nehmen. Sie raste hinein, riss das Fenster auf, stieß Harald von der Couch, riss ihm die Socken von den Füßen und wickelte sie in das Laken. Dann eilte sie ins Bad, stopfte beides in den Wäschekorb und wusch sich ausgiebig die Hände.

Harald hockte sprachlos und fröstelnd am Boden und sah seine Frau an, als wolle er sie fragen: »Was soll das hier eigentlich?«

»Tja, klar, dass Hygiene ein Fremdwort für dich ist«, giftete Beate, »aber ich möchte nicht als Schwein hier enden – so wie du. Bald hast du diese Wohnung für dich allein, dann kannst du hier hausen und vor dich hin gammeln. Aber ich bin dann fort.«

»Was soll das heißen?« fragte Harald, der nicht ganz mitkam. Gnädig klärte Beate ihn auf: »Ich werde gehen. Du kannst diese Wohnung haben. Ich schenk sie dir – aber erst, wenn ich eine neue Bleibe gefunden habe. Wenn du nicht bereit bist, die Scheidung einzureichen, dann verlasse ich dich eben ohne Scheidung! Nachdem du sowieso so ein armer Schlucker bist, ziehe ich es nicht vor, dir Geld für die Wohnung abzuknöpfen. Hast du mich verstanden?«

Er nickte langsam. Eiskalte Luft strömte durchs Fenster herein, mindestens so eiskalt wie die Stimmung zwischen den beiden. Beate atmete aus, kleine Dampfwölkchen strömten aus ihrer Nase und sie spürte, wie eine Gänsehaut über ihre Arme hinaufkroch. Harald hockte wie ein jämmerliches Häuflein Elend am Boden, und die schwarze Katze stand an der Tür.

°°°

Die Tage vergingen, die Wochen vergingen. Beate suchte wie eine Wilde, aber sie fand nichts in ihrer Preisklasse. Ihre Verzweiflung wuchs. Und wenn sie nicht wirklich so verzweifelt gewesen wäre, sie wäre niemals auf diese Idee gekommen. Wer würde das schon? Einfach mal nebenbei einen Banküberfall zu machen, das zählte ja nicht unbedingt zum Alltag. Aber als sich dieser Gedanke in Beates Kopf einschlich, wurde sie ihn nicht mehr los und er ergriff von ihr Besitz.

»Harald! HARALD! Für dich. Vom Gericht.« Knurrend drückte Beate den Telefonhörer ihrem Mann in die Hand.

Er führte ein kurzes, mürrisches Gespräch. Hinterher schien er ziemlich fertig.

»Was war?« fragte Beate sofort scharf und ließ nicht zu, dass er ihrem Blick auswich.

»Irgend so einer sagt gegen mich aus«, nuschelte Harald. »Jetzt muss ich nochmal dorthin.«

Beate glaubte, ihren Ohren nicht zu trauen. »WAS? Ich dachte, das wäre endlich geklärt? Oder hast du schon wieder was Neues ausgefressen? Ich hoffe, dir ist klar, wieviele Vorstrafen du schon hast! Deine Chancen sind schlecht.«

Harald fuhr sich mit der Hand über die müden Augen und knurrte irgendetwas.

Beate starrte ihm verbittert hinterher. Sie war die Ehefrau dieses Knastis, dieses Unmenschen! Und würde es voraussichtlich auch bleiben.

Früher hatte sie ihn für einen harmlosen, netten Mann gehalten. Aber er war ein Schuft. Sie stöhnte und hoffte, dass er vor Gericht endlich als schuldig abgestempelt wurde und ins Gefängnis marschierte. So würde sie ihn völlig ohne Unkosten loswerden.

Dann aber hatte sie eine bessere Idee.

Viel besser.

Es war alles genau geplant. Der Rucksack musste sehr unauffällig aussehen. Sie hatte einen schwarzen vom Weltspartag gewählt. Darin befanden sich garantiert stromsichere Handschuhe, ein merkwürdiges Gerät, ein schweres Stück Holz und die Rasierprobe ihres Mannes. Alles bestens ausgekügelt. Beate war der Meinung, dass ein Plan gar nicht besser sein könnte. Nachdem sie zwei Löcher für die Augen in ihren schwarzen Strumpf geschnitten hatte, stopfte sie auch diesen in den Rucksack.

Und los. Die Straßenlaternen warfen schummriges Licht auf den schwarzen Asphalt, der vor ihr lag, und die tödliche Stille hämmerte durch Beates Kopf, lauter als eine Rockband mit Verstärker.

Vor der Bank machte sie halt. Sah schon von weitem die Wachen stehen. Nun musste alles schnell gehen und perfekt nach Plan ablaufen. Beate zerrte den Strumpf aus dem Rucksack, zog ihn über. Dann die Handschuhe. Sie schnappte den Holzpflock und schlich sich an. Sie würde die Wachen niederschlagen, hineinstürmen, mit ihrem selbst gebauten Gerät sofort die Alarmanlage finden, sie ausschalten und dann das Geld nehmen. Das Rasierwasser von Harald sollte alles auf seine Spur bringen. Schließlich wollte sie nicht nur das Geld – sie wollte auch die Freiheit.

°°°

»Was macht sie bloß wieder?« fragte Harald sich und horchte ein bisschen auf die Musik, die aus dem Fernseher dudelte. Klang nach Musical. Wie hieß es noch gleich? Hair? Grease? Keine Ahnung.

Ob Beate das ernst gemeint hatte, mit dem Ausziehen? Sie konnte ihn doch nicht so einfach sitzen lassen! Wer würde kochen, sich um die Wäsche kümmern? Er müsste arbeiten, würde auf den Schulden sitzen bleiben. Was war mit Casino und Stammkneipe? Harald musste mit einer Depression kämpfen. Wirklich niederschmetternd, die Launen der Frau, grinste er, leicht angeschwipst, und schlief vor dem Fernseher ein.

°°°

Beates Atem ging keuchend und stoßweise. Schweiß perlte ihr über die Stirn. Der Strumpf war auch ganz nassgeschwitzt, die zitternden Hände hatte sie im Schoß eingeklemmt, neben ihr ein Rucksack vom Weltspartag, prall mit Scheinen gefüllt.

Sie hatte es getan.

»Weltspartag!« Bei dem Wort musste sie lachen, ein gequältes, schuldbewusstes Lachen. Sie hatte vielleicht einigen Knirpsen ihr mühsam gespartes weggenommen. Egal. Sie würde frei sein, gut leben, wäre Harald, Schulden und Armut los. Alles würde sich ändern. Zwei Fliegen mit einer Klappe. Schön.

Und nun würde ihre Kleine auch viel feineres Gourmet-Menü bekommen.

°°°

Anfangs wollte sie gar keinen Zwischenstopp mehr zuhause machen, aber dann entschloss sie sich, dem armen Harald doch noch »Leb wohl« zu sagen. Schließlich musste der arme Schlucker mit seinen Vorstrafen in der Wohnung vergammeln, während sie sich ein schönes Leben machen würde.

»Ciao Harry!« rief Beate gleich, als sie die Wohnung betrat.

Harald krabbelte verschlafen aus den Laken. »Hallo«, grunzte er. »Was gibt’s zum Frühstück?«

Beate ignorierte ihn eiskalt und erklärte: »Ich bin zurückgekommen, um mich von dir verabzuschieden. Schließlich haben wir mal geheiratet. In einigen Tagen kommt der Möbelpacker, aber ich gehe schon morgen früh mit den Sachen, die ich dringend brauche. Du kommst doch ohne mich zurecht, oder? Und ohne die Kleine, die mochtest du sowieso noch nie. Haben wir uns also verstanden?«

Sie wartete. Die Katze war wie aufs Stichwort aufgetaucht und strich gurrend um Beates Beine.

Harald beobachtete sie, völlig geplättet, und hob dann langsam den Kopf. »Dir ist es also wirklich ernst? Du gehst? Lässt mich hier mit meinen Problemen allein? Wie unheimlich egoistisch von dir, Beate-Schätzchen. Bleib!«

Beate-Schätzchen, dachte Beate spöttisch. Versucht er jetzt, mit dieser schwachen Tour, mich zum Bleiben zu überreden? Mein Entschluss steht, verdammt nochmal, fest!

Das teilte sie Harald auch mit, der eine verschlafene Schnute zog und sich dann in das Laken hüllte, als wolle das kleine Büblein sich vor der bösen Furie schützen. Beate genoss den offensichtlichen Triumph, winkte ihrem Mann zu und verließ dann, die Katze neben sich, das Zimmer.

Zurück in ihrem Kämmerchen, das nur notdürftig als Schlafzimmer reichte, weil sie das Bett nicht mehr mit Harald teilen wollte, ließ Beate sich auf die Matratze plumpsen und zog die Spange aus ihrem Haar. Dann schlüpfte sie aus dem Pullover und den Jeans, die Unterwäsche behielt sie an, kroch unter die Bettdecke und starrte in die Luft. Alles schien zu rauschen und zu flimmern, alles war so unwirklich, alles schien durch einen schlecht funktionierenden Fernseher abzulaufen. Der Bankraub. Der Umzug. Das viele Geld im Keller, mit dem sie morgen ein neues Leben beginnen würde…

Meine letzte Nacht in dieser Wohnung, flüsterte Beate, drückte sich die Katze ans Gesicht und streichelte sie. Meine Süße, flüsterte sie und schlang die Arme um das samtigweiche Tier, dessen gelbe Augen in der Schwärze funkelten.

Teil zwei

»Hah! Ist das ein Leben! Was, Süße?« Beate lagerte die Füße auf einen mit Samt bezogenen Schemel und reckte sich. Ihre Katze lag neben ihrem Fauteuil auf dem Boden und schleckte feinstes Gourmet-Katzenmenü. Ein Kristallluster hing über Beates Kopf, ein Heimkino lag vor ihr, etliche Türen führten in unzählige, prächtigste Räume, alles voll mit Gerümpel der feinen Sorte. Diese Villa ist mein, dachte Beate zufrieden und dachte an das viele Geld, das sie bezahlt hatte, an die vielen Nullen und an das Geld, dass sie sich so unfair, aber so einfach ergattert hatte.

Als die Müdigkeit sie übermannte, schlüpfte Beate aus ihrem Satinrock und der Seidenbluse, legte den Bernsteinring ab und verschwand in ihrem riesigen Schlafzimmer mit Ehebett. Eine Seite für sie und eine für ihre Katze, die sie sosehr liebte.

»Komm her, meine Kleine!« zwitscherte Beate und streckte die Arme nach dem schwarzen Tier aus. Die gelben Augen strahlten sie an und Beate lachte. »Ja, bist ja schön. Bist ja so eine Schöne… Die Schönste von allen…«

Der milchige Mond schien durch die Fensterscheiben, durch die dünnen Vorhänge und beleuchtete die beiden, die im Ehebett lagen und friedlich zu schlummern schienen. Beate schien so unschuldig im Schlafe, das rötliche Haar wie ein seidiger Fächer auf das weiße Kopfkissen ausgebreitet. Sie schien es wirklich nicht gewollt zu haben, was tags darauf passierte. Aber natürlich wissen wir alle, dass sie es genau geplant hatte.

°°°

»Sind Sie Herr Harald Linger?«

Harald war ziemlich erstaunt, um halb sieben in der Früh einen Kommissar vor der Tür stehen zu haben. Aber er nickte trotzdem und wartete mit hängenden Hundebacken. »Jaja, der bin ich. Ist irgendwas Besonderes los?«

Der ältere Kommissar schob seine magere Gestalt ungeniert in die Wohnung. »Ich darf doch?« Er nistete sich sofort in der Küche ein, verschränkte die Arme vor der Brust, ließ sich auf die unbequeme, hölzerne Küchenbank plumpsen und räusperte sich. »Ich hätte ein paar Fragen an Sie, bezüglich des Bankraubes in der Hypo Bank.«

»Wie bitte?« Harald konnte es nicht recht glauben. Wurde er etwa auch schon verdächtigt?

Der Kommissar räusperte sich wieder. »Ich bin auch nicht zum Spaß hier, mein Guter«, erklärte er, »ich habe so meine Gründe. Sehen Sie das? Das kommt Ihnen nicht zufällig bekannt vor?« Er hielt einen Plastiksack hoch, in dem eine kleine Parfumprobe lag.

Harald schnappte nach Luft. Es war seine Lieblingsprobe, die er gestern vergeblich gesucht hatte. »Wo war die?« entfuhr es ihm.

Der Kommissar legte den Sack auf die Tischplatte. »Wir fanden sie vor dem Safe. Am Boden. Dürfte ich mich einmal in Ihrem Badezimmer umsehen?«

Noch ehe Harald widersprechen konnte, hatte der Kommissar es schon betreten. Natürlich fand er auch auf Anhieb die zwei weiteren Proben, die in einem Bastkörbchen lagen. Er hielt sie vielsagend hoch.

Harald ahnte, dass man ihm aufgrund seiner Vorstrafen das Verbrechen in die Schuhe schieben wollte.

»Solche Proben haben doch Hunderte!« rief er fassungslos. »Die bekommt man geschenkt, wenn man was in der Parfümerie einkauft! Oder denken Sie, ich bin der Einzige, der das bekommen hat?«

Der Kommissar verneinte. »Beruhigen Sie sich. Wenn nur das unser Anhaltspunkt wäre, hätten wir wirklich kein Recht, Sie zu verdächtigen. Das Problem ist nur… Sie wurden beobachtet.«

°°°

»Was sagten Sie da?« Das war nun zuviel für Harald. Jemand hatte ihn beobachtet, bei etwas, was er gar nicht getan hatte?

»Hören Sie«, meinte der Kommissar, »keiner will Ihnen irgendetwas unterjubeln – es ist nur…«

Aber ehe er fertig war, fuhr Harald wütend dazwischen. »Nein, überhaupt nicht! Alle wollen das nur! Ich habe keine Bank ausgeraubt! Das war ich nicht! Ich könnte mich doch erinnern! Oder glauben Sie etwa, ich lüge Sie hier an? Das würde mir doch auch nicht helfen, bei allen Vorstrafen, die ich habe!«

Der Kommissar nickte. Dann warf er einen vielsagenden Blick zu einem ganzen Haufen leerer Bierflaschen und räusperte sich wieder einmal. »Es ist ja nicht so, dass Sie mit Absicht lügen. Aber Sie trinken, was ich diesen Flaschen entnehme, oder? – Ja, na eben. Und im Alkoholrausch tut man oft Dinge, an die man sich später nicht erinnern kann…«

Konnte das sein? Konnte er wirklich im Suff eine Bank ausgeraubt haben? Unvorstellbar!

»Ich bin ein Tollpatsch, ein Idiot, ich könnte doch niemals…« Harald ließ sich verzweifelt auf die Küchenbank sinken.

Der Kommissar verzog keine Miene. »Es ist nicht persönlich, Herr Linger. Aber natürlich kann man Ihre bisherigen Taten nicht im Hintergrund lassen, die Ihre Persönlichkeit in ein völlig anderes Licht rücken, als Sie es jetzt vorgeben. Bei gewissen Geschehnissen waren Sie nämlich zweifelsohne nicht im Alkoholrausch.« Er holte Luft und wartete auf Haralds Reaktion, der wie vom Donner gerührt dastand.

Später fand er sich auf dem Revier wieder. Er wusste nicht, wie er dorthin gekommen war, aber Kommissare und Polizisten quetschten ihn aus, er fühlte sich einsam und verlassen und konnte nur seine Unschuld herausschreien, was die Situation aber keineswegs besserte. Im Gegenteil – immer mehr überzeugte er die misstrauischen Menschen um ihn herum von seiner Tat nach dem reichen Alkoholkonsum. Und – er wusste nicht, wieso er es tat; vermutlich, um dem ganzen Horror endlich ein Ende zu machen – plötzlich gestand er eine Tat, die er nicht begangen hatte. Er wollte all das beenden, wusste, dass er auch bei seiner Gerichtsverhandlung schlecht abgeschnitten hätte und nun war alles erledigt. Er wanderte in eine Zelle.

°°°

»Ich muss noch auf eine Gala, Süße, aber ich habe dir dein Menü gerichtet. Heute steht Gänseleber am Speiseplan. Fein, oder?« Beate zwinkerte dem schwarzen Fellball zu und schwang dann ihren dunkelblauen, von Tüll umhüllten Körper aus der Tür. Diese Gala war ihre Chance, endlich als eine der »Besseren« angesehen zu werden. So würde sie auch bald eine tolle Arbeit finden, die ihr Spaß machte.

Dann begann sie zu lachen. »Pah! Arbeiten! Jetzt hab ich genug Geld, um es mir gutgehen zu lassen!« Sie trippelte in ihren hochhackigen Schuhen die Steintreppe hinunter zur Garage und wartete auf das Taxi, das sie gerufen hatte.

Bald bog das weiße Auto in ihre Straße ein, und sie ließ sich in die weichen Polstersitze fallen. Der Taxler sah sie erwartungsvoll an, und Beate nannte ihm hastig die Adresse. Ob sie es noch bis sieben Uhr schaffte? Sie war sich nicht der Entfernung bewusst.

Schließlich beschloss sie, einfach alles zu genießen, was passieren würde. Sie war ein neuer Mensch. Ein völlig neuer Mensch. Das gefiel ihr. Auch ihr rötliches Haar hatte Beate noch intensiver gefärbt, und sie war der Meinung, dass es ihr ganz hervorragend stand. Außerdem passte es sehr gut zu dem blauen Designerkleid.

Das Taxi machte vor einem hell erleuchteten Portal halt, und Beate kramte einen Geldschein aus ihrer glänzenden Handtasche, bevor sie die Tür aufstieß und sich aus dem Auto schwang.

»Guten Abend! Möchten Sie vielleicht einen Aperitif?« Ein schlaksiger Ober mit weißem Hemd und einer schwarzen Fliege balancierte ein Tablett in Beates Richtung. Sie dankte lächelnd und nahm eines der Gläser vom Tablett. Der Aperitif schmeckte ihr nicht sehr, aber sie trank tapfer ein paar Schlucke. Sofort kam die Gastgeberin auf sie zu.

»Ah, guten Abend, Frau…«

»Kellbath«, half Beate. Sie zog es vor, ihren Mädchennamen zu benutzen. Schließlich kannten die meisten Harald Linger, einen Mann mit nicht gerade gutem Ruf. Außerdem wollte sie die Sache mit Harald ein für alle Mal abschließen.

»Frau Kellbath«, lachte die Gastgeberin dankbar. »Ich bin Ariane Freiburg. Schön, Sie auch hier anzutreffen. Ich habe bereits gehört, dass sie eine schöne Villa am Stadtrand bezogen haben. Neulinge sind meine Spezialität.« Sie lachte wieder, ein lockeres, leicht arrogantes Lachen, und stieß mit ihrem Glas gegen Beates.

Diese hatte Dauerlächeln aufgesetzt und überlegte, woher diese Ariane Freiburg wissen konnte, dass sie in einer Villa am Stadtrand wohnte. Aber um nicht langweilig zu wirken, begann sie einfach zu reden.

»Ja, das stimmt. Ich wohne dort zusammen mit meiner Katze…«

Ariane zog angewidert eine Augenbraue hoch. »Iiiih! Ich bin allergisch gegen Katzenhaar! Mögen Sie diese Viecher etwa?«

Beate nickte. »Ja, sehr sogar. Meine Kleine ist für mich kostbarer als der schönste Edelstein. Das mag jetzt kitschig klingen – aber ich würde sie für kein Geld auf der Welt hergeben.«

»Na, Sie brauchen das Geld auch nicht«, deutete Ariane an und begann wieder zu lachen. Dabei warf sie ihr eindeutig gefärbtes, blondes Haar in den Nacken. Beate nippte an ihrem Aperitif und schwieg. Wo war sie hier bloß gelandet? Aber es war wichtig für sie, in diese Gesellschaftsschicht zu kommen. Also würde sie eben versuchen, sich zu amüsieren.

Am Buffet stand eine Frau mit hochgesteckten Haaren, die sehr einsam aussah. Vielleicht konnte sie zu dieser Kontakt knüpfen? Also verabschiedete sie sich höflich von Ariane und steuerte aufs Buffet zu.

Die Frau erblickte sie und lächelte. »Probieren Sie mal die Kalbszunge. Einfach hervorragend!« empfahl sie schwärmerisch und mit französischem Akzent.

Beate lächelte und nahm etwas davon. Es schmeckte wirklich gut. Sie versuchte, ganz beiläufig mit der Unbekannten ins Gespräch zu kommen. Also sagte sie einfach irgendetwas: »Gibt Frau Freiburg öfter solche Galas?«

Die Frau nickte. »Wöchentlich«, erklärte diese. »Sie kann ohne Rummel nicht leben – und ohne bewundert zu werden. Für jede Gala lässt sie sich ein neues Kleid schneidern, und immer muss sie irgendwelche Reden halten – so wie jetzt!« Sie zeigte auf eine Tribüne, die gerade von Ariane Freiburg bestiegen wurde.

»Meine lieben Gäste«, begrüßte Ariane, »freut mich, dass Sie alle hier sind. Eine Neue haben wir unter uns, die gute Frau Kellbath – begrüßen Sie Frau Kellbath, sie steht am Buffet, neben Madame Corbette!«

Viele Leute kamen auf Beate zu, um sie zu begrüßen. Es wurde regelrecht peinlich. Ariane erlöste sie. »So, genug, genug. Wie gesagt, es freut mich, dass Sie zu meiner Gala erschienen sind, und ich wünsche Ihnen ein angenehmes Fest. Spenden bitte ich, hinten, am Getränkestand, abzugeben. Falls Sie auch etwas spenden, Frau Kellbath – bitte Schecks ohne Katzenhaare, ich bin ja – wie gesagt – allergisch!« Sie lachte wieder so arrogant, und die Leute lachten mit, als hätte sie einen umwerfenden Scherz gemacht, und Beate fühlte sich gedemütigt und blamiert. Mit rotem Kopf stürzte sie an Madame Corbette, dem Ober, an Ariane Freiburg vorbei und nach draußen.

Die frische Kälte tat gut. Wo war hier bloß der nächste Taxistand? Egal. Sie riss sich die Stöckelschuhe von den Füßen und rannte barfuß nach Hause.

°°°

Stille. Totenstille.

Weder Beate noch ihre Katze gaben einen Laut von sich. Beate starrte aus dem Fenster, auf all die Sterne und dachte an diese hinterhältige Bosheit, die Ariane schon die ganze Zeit verströmt hatte.

»Es ist doch nicht so verdammt leicht, ein anderer Mensch zu werden«, murmelte sie, und schon sprang die schwarze Katze auf ihren Bauch und mauzte. »Jaja, miau du nur. Du hast’s sowieso einfacher. Sag mal… Findest du mich einen schlechten Menschen? Immerhin habe ich meinem Ehemann etwas Schlimmes angetan. Aber – ich musste das tun, verstehst du? Nein, klar, gar nichts verstehst du. Du bist doch bloß ein Tier.« Im nächsten Moment taten ihr ihre Worte aber leid, sie kraulte ihre Katze an der Kehle und lauschte dem wohligen Schnurren. Gerade, als sie im Dämmerzustand lag, hörte die Katze auf zu Schnurren, fletschte die Zähne und legte sich dann wieder gemütlich auf dem Bauch ihrer Besitzerin hin.

°°°

Verschlafen rieb Beate sich die Augen, fuhr sich durch das verfilzte Haar und schleppte sich unter die Dusche. Was für eine Nacht! Sie hatte ständig von Gittern geträumt, von ihrem Mann und der Vergangenheit. Der Duft seines Rasierwassers war immer noch nicht ganz aus ihrer Nase gewichen.

»Blödsinn«, knurrte Beate und ließ sich das kühle Wasser über den Kopf und den Körper rieseln. Dann drehte sie auf »warm«, um ihre Verspannungen wenigstens ein bisschen zu lösen. Das tat gut! Die Katze kratzte an der Tür. »Jaja, komm ja gleich«, rief Beate nach draußen und drehte den Wasserhahn ab. Sie band ein Handtuch um ihr Haar, schlüpfte in den flauschigen Bademantel und holte Frühstück und Zeitung vor der Tür.

Erstmal bestrich sie eine Semmel mit Butter, nahm einen tüchtigen Bissen, dann richtete sie ihrer Kleinen ein leckeres Frühstück, und dann setzte sie sich wieder an den Tisch. Ein zweiter, großer Biss, dann nahm Beate das Titelblatt der Zeitung näher unter die Lupe. Aber als sie die Schlagzeilen las, blieb ihr der Bissen im Hals stecken.

BANKRÄUBER BETEUERT SEINE UNSCHULD – HANDFESTE BEWEISE HALTEN DAGEGEN!

Darunter war ein Foto von Harald abgebildet.

Der Schock dauerte nur kurz an. Dann sprang Beate auf, schnappte sich die Zeitung – und zerfetzte sie in tausende Schnipsel. Die schwarze Katze half dabei. Ihre Zähne und Krallen rissen das Papier in Sekundenschnelle entzwei.

Fünf Minuten später lag statt der Zeitung nur noch ein Konfettihaufen auf dem Teppich. Beate keuchte. Die Wunde war wieder aufgerissen. Sie sah das Kreislauftief kommen. Ließ sich auf die Couch plumpsen und wartete, bis die tanzenden Punkte vor ihren Augen verschwunden waren.

Teil drei

Wie langsam drei Jahre doch vergehen, dachte Harald.

Die alte Umgebung, das war wieder etwas ganz Neues. Er fasste es noch gar nicht richtig. Er war frei! Die Zeit in den düsteren Zellen, den düsteren Gängen hatte ein Ende gefunden! Man sollte meinen, er wäre nun total ausgelassen, fröhlich, glücklich. Aber in diesen drei Jahren hatte Harald herausgefunden, dass er nicht im Geringsten an diesem Bankraub Schuld hatte. Er war zu Unrecht im Gefängnis gesessen. Aber ihm dämmerte alles. Woher hatte Beate plötzlich all das Geld? Woher hätte der wahre Täter das Rasierwasser haben sollen? Harald war der festen Überzeugung, dass seine Frau die Schuldige war. Natürlich würde ihm niemand glauben schenken, das ahnte er.

»Die glauben mir doch nie!« spottete er. »Alle denken, ich hätte im Kittchen den Totalschaden gekriegt. Bestimmt hat diese Kuh sich schon bei den ganzen reichen Spießern eingeschleimt, damit ich sie nicht mehr von ihrem Thron werfen kann.« Er grinste böse. »Im Praktischen könnte ich das ja auch nicht. Wer würde mich armen Knasti schon ernst nehmen?« Sein teuflisches Grinsen wurde breiter. »Aber ich weiß genau, wie ich es kann.«

°°°

Die Nacht war kalt und sternenklar. Langsam schlich eine vermummte Gestalt auf die große Villa der angesehenen Beate Kellbath zu. In drei Jahren hatte sich aus der »Neuen« eine sehr berühmte, beliebte Geschäftsfrau entwickelt. Jeder musste ihre Katze mindestens genauso ernst nehmen wie man sie ernst nahm, und die Erfolge konnte man schon lange nicht mehr zählen.

Es schlich also diese Gestalt auf die Villa zu. Zielsicher.

Vor dem großen Tor machte sie halt und steckte einen Dietrich in das Schloss. Mit einem leisen Klicken sprang das Schloss auf, und die Gestalt schob sich geräuschlos ins Haus. Dann wurde sie unsicher. Auf der Suche nach dem Schlafzimmer, in dem die angesehene Beate Kellbath ihre Ruhe hielt, schien sie immer nervöser zu werden. Schließlich war sie fündig geworden und betrat mit leisen Schritten das Gemach. Hier lag sie, die Geschäftsfrau Kellbath, die von dieser Gestalt anders genannt wurde.

»Meine Beate Linger«, hauchte die Stimme. »Meine geliebte Frau!« Trockenes, hüstelndes Lachen.

Beates Atem ging leise und zufrieden. Sie hatte die Hände über dem Bauch gefaltet und sah unwahrscheinlich schön aus. In ihrer Halsgrube lag ein kleiner, schwarzer Zierpolster.

Jetzt musste alles schnell gehen! Die Gestalt sah das Sofa. Darauf viele, mit Satin bezogene Kissen. Sie griff nach einem davon. Es war weich und schien perfekt. Wieder das hüstelnde Lachen.

»Tut mir leid, meine geliebte Gattin, dass du am Höhepunkt deines Lebens gehen musst. Aber du wolltest doch immer frei sein. Jetzt wirst du richtig frei sein. Adieu, meine Gute. Sie werden dich alle vermissen. Doch am meisten werde ich es tun.«

Nachdem das trockene Flüstern verstummt war, ging alles sehr schnell. Das weiche Satinkissen auf Beates Gesicht. Ihr kurzer Kampf mit dieser Gestalt, die das Kissen fest und starr auf ihre Atemlücken presste. Der schwarze Zierpolster, der sich aufrichtete und wild zu fauchen begann. Mit gelben Augen den Gegner zur Kenntnis nahm. Aber es war – wie gesagt – ein kurzer Kampf. In weniger als fünf Minuten hatte diese Welt Abschied von Beate Kellbath/Linger genommen.

°°°

»Guten Morgen. Haben Sie schon die Neuigkeiten gehört?«

Harald war erstaunt, so spät abends noch einen jungen Polizisten vor der Tür stehen zu sehen. Im ersten Moment hatte er sogar ein bisschen Angst vor der Ursache. Aber dann stellte es sich als harmlos heraus.

Der Polizist seufzte. »Das tut mir sehr leid mit Ihrer Frau, das. Ich nehme an, Sie wissen es bereits?! Ja? Ja gut, weil hier, also, das ist ihre – also, das ist ihre Katze, die ist zurückgeblieben und hat so schrecklich miaut, und das arme Vieh kann ja auch nicht so alleine bleiben, da dachten wir eben, Sie könnten sich ihrer annehmen. Dann mein herzlichstes Beileid. Wiedersehen.«

»Auf Wiedersehen«, antwortete Harald und schloss die Türe. Dann ließ er die Katze zu Boden fallen.

»Na, du Tier, du. Hier hast du nichts zu suchen. Nein, hier bist du nicht zuhause.« Er beschloss, sie schon morgen früh in der Tierhandlung abzugeben. Gleich morgen, ganz in der Früh. Aber eine Nacht würde sie schon hierbleiben können. Musste sie ja auch.

Harald dachte an den Satin-Kopfkissenbezug, der in einer Lade lag und den niemand finden durfte. Er musste ein bisschen lächeln. So raffiniert, das alles. Mindestens so ausgekügelt wie damals, bei Beates Überfall. »Tja, liebste Gattin«, schmunzelte er, »wer zuletzt lacht, lacht am besten!«

Er ließ sich auf die Couch fallen, lagerte die Füße hoch und schloss die Augen. Hah, war das schön, wieder zuhause zu sein. Und Rache genommen zu haben. »Rache«, flüsterte Harald und lachte leise und trocken. Er war schon fast eingedöst, als er ein lautes Kratzen neben der Couch wahrnahm. Verwirrt öffnete er die Augen und schaute in die Richtung.

Vor der Schublade, in der der Kopfkissenbezug aus Satin lag, stand die schwarze Katze. Sie kratzte wie wild mit der Pfote an der verschlossenen Lade und dabei miaute sie hilflos.

Harald grinste triumphierend. »Tja, du bist eben doch nur eine dumme, kleine Katze. Du kannst diese Schublade nicht öffnen und du kannst auch die Geschehnisse nicht ungeschehen machen. Und morgen hast du diese Wohnung sowieso für immer verlassen.«

Die Katze hob den Kopf und sah genau in seine Richtung. Es schien Harald, als blicke sie ihn direkt an. Er konnte den Blick nicht abwenden von diesen Augen, diesen gelben Augen, die ihn so vorwurfsvoll anstarrten, und plötzlich war ihm eisig kalt.