Maria Kösterke (13)

Satanstochter

Ihre dunkelgrünen, schwarz umrandeten Augen starrten mürrisch die um sie anwesenden Personen an. In der Bibliothek war es sehr laut, doch sie nahm nur das monotone Klacken der Stempel wahr.

Jemand tippte sie an. Langsam drehte sie sich um und blickte in ein Kindergesicht.

»Tante, wo geht es hier zur Toilette?« Mit offenem Mund stand das Kind da.

»Also, erstens bin ich nicht deine Tante, mein Name ist Frau Zorn, und zweitens: Verpiss dich!« zischte sie.

»Maamii!« heulte das Kind los.

Die Bibliothekarin fasste das Kind am Handgelenk, ihre spitzen, schwarzen Fingernägel bohrten sich ins Fleisch. »Wenn du ein Wort zu deiner Mutter sagst, schlitze ich dich auf, und deine Eltern und deine Freunde…!«

Zitternd rannte das Kind zu seiner Mami und sagte nichts.

Frau Zorn schloss die Tür zur Bibliothek ab. Feierabend. Ihre schwarzen Pumps klapperten auf dem Asphalt. Obwohl es Sommer war, trug sie einen Nadelstreifenanzug, die schwarzgefärbten Haare waren aalglatt gegelt und hoch gesteckt. Eine dunkle Nickelbrille zierte ihre blasse Nase…

Sie betrat ein altes, schäbig aussehendes Gebäude, das sie Zuhause nannte. Die Wohnung lag im dritten Stock.

Als sie die Türe aufschloss, streifte ihr eine schwarze Katze um die Beine. »Guten Tag, Bastard«, flüsterte sie der Katze zu. Dann steckte sie sich eine Zigarette an und las Zeitung.

Ein Artikel fiel ihr auf: »Haben sie Spaß am Geschichtenschreiben? Dann fahren sie mit zur Literaturwerkstatt nach Harzgerode. Preis: 100 Euro, rufen sie an unter 1214826.« Sie griff zum Telephonhörer.

Ein paar Tage später saß Frau Zorn zwischen einer Gruppe von Leuten. »Bald wird mein Plan aufgehen«, dachte sie grinsend.

Ein braunes Fläschchen mit einem Totenkopf in der Hand haltend, schlich sie in die Küche. Niemand da. Sie öffnete einen großen Topf. Dampf stieg ihr entgegen. »Mhm, Gemüsesuppe mit Schneckengift. Lecker. Hi hi«, sagte sie breit grinsend. »Ich habe neue Seelen für Satan!« Dann verließ sie das Haus…

Tage später stand in der Zeitung: MASSENMORD BEI DER LITERATURWERKSTATT!

»Alle Teilnehmer der Schreibzeit wurden durch Schneckengift umgebracht. Der Täter ist noch unbekannt!«