Lisa Heidinger (12)

Das verliebte Burgfräulein

Es wohnt’ die Ida Lichtenstein
auf einem Schloss, das ist sehr fein.
Sie ist das schönste Burgfräulein,
doch leider auch sehr allein.
Bei allen Rittern sie ist beliebt,
doch ist die Ida schon verliebt –
in einen armen Bettelsmann,
den sie leider nicht heiraten kann.
Doch wünschte sie sich’s wirklich sehr,
dem König fiel die Entscheidung schwer,
doch sagt’ er: »Ida Lichtenstein,
du heiratest kein Bettelsschwein!«
Die Ida war drauf sehr zerstreut,
sie hat den ganzen Tag geheult.
Als Ida aufwacht’ in der Nacht,
da kam ihr plötzlich ein Verdacht:
Gab es nicht einen Ritterschatz?
Der würde retten ihren Spatz!
Drum schlich das holde Burgfräulein
Sich in des Schlosses Keller ein.
Und hinter einem Eisengitter,
da lag er auch, der Schatz der Ritter!
Doch da die Türe war versperrt,
ist sie dann schnelle umgekehrt,
in Vaters Schlafgemach geflitzt
und hat den Kellerschlüssel stibitzt.
So kam sie an des Schatzes Truhe,
drehte den Schlüssel um in Ruhe,
und stahl dann von der goldnen Pracht,
bis es ihr Spatzi reiche macht’.
Doch als am nächsten Tag sie eilte
dorthin wo der Bettler weilte,
geblendet von des Goldes Glanz,
war er verändert gar und ganz.
Da nahm er zwar den Schatz mit Freuden,
doch ohne seine Zeit zu vergeuden,
sagte er: »Ida Schatz, ich hab dich gern,
doch muss ich jetzt verreisen fern,
denn ich will Weltenreiser sein,
will wandern über Stock und Stein.
Jetzt hab ich ja genügend Geld,
um zu reisen um die Welt.
Bist du in zwanzig Jahren noch verliebt,
und wenn’s dann Telefone gibt,
Dann rufe ich dich einmal an,
also mein Schatz – bis dann!«
Die Ida war drauf sehr geknickt,
sie hat ihm Küsschen nachgeschickt,
doch war er wirklich fortgegangen,
und Ida hat zu weinen angefangen.
Wutentbrannt sagt’ sie zu sich:
»Liebe niemals einen Bettlerswicht!«