Bianca Fadler (12)

Weihnachtshektik

Dieses Jahr fiel Weihnachten auf einen Sonntag. Alle aus meiner Familie schliefen bis 11 Uhr mittags. An Weihnachten durfte man ja verschlafen.

Dann wollte unsere Mutter das Frühstück bereiten, hatte aber vergessen, Schinken und Eier einzukaufen. Somit musste sie zu unserer Nachbarin gehen, um die gewünschten Lebensmittel zu besorgen.

Als wir endlich beim Frühstück saßen, unterhielten wir uns fröhlich über Weihnachten. Mein Vater schnappte aus unseren Gesprächen das Wort »Christbaum« auf. Er wurde bleich und rief erschrocken: »Du meine Güte, ich habe keinen Tannenbaum besorgt!«

Hektisch sprang er auf und verschwand im Bad. Nach einer Viertelstunde kam er rasiert und fertig angezogen wieder heraus und sprintete zur Türe.

Während er fort war, erledigten wir den Abwasch. Nach zirka einer halben Stunde kam er verschwitzt, aber stolz mit einem kleinen Christbaum in der Hand zur Türe herein. »Das war das letzte mittelgroße Bäumchen, das ich finden konnte«, meinte er erleichtert.

Vor dem Mittagessen schmückten wir traditionell gemeinsam den Weihnachtsbaum.

Ich trat langsam vor das vollbrachte Werk. In den grünen Zweigen hingen kleine, aus Holz geschnitzte Schlitten mit Weihnachtsmännern im roten Gewand, kleine Orangen, Nüsse, Schokolade, Lametta, bunte Christbaumkugeln und natürlich rote Kerzen. Die schlanke Spitze schmückte ein Engel mit einem Heiligenschein.

Zu Mittag sollte es Gulasch geben, aber meine Mutter hatte es zu lange am Herd stehen lassen, und es wurde nichts daraus. So mussten wir uns mit belegten Broten begnügen.

Nachdem wir gegessen hatten, hielten meine Eltern ein kurzes Mittagsschläfchen, und ich sah mir mit meiner Schwester einen Weihnachtsfilm an. Um vier Uhr nachmittags wurde noch eine kleine Jause, bestehend aus Keksen und Milch, eingenommen, und dann besuchten wir die heilige Messe.

Die schönen Lieder vom Kirchenchor und das Spiel auf dem Klavier gefielen mir besonders gut. Laut sang ich bei »Stille Nacht, heilige Nacht« mit, so dass sich die vordere Reihe lächelnd zu mir umwandte. Ich wurde rot und verkroch mich beschämt in meinem Anorak.

Kaum hatte der Priester uns gesegnet, stürmte ich aus der Kirche hinaus. Draußen hatte es inzwischen zu schneien begonnen. Eine dünne Schneeschicht lag auf dem Kirchenplatz. Außerdem war es stockdunkel.

Zu Hause flackerte ein gemütliches Feuer im Kachelofen. Der Schneesturm wütete weiter, aber herinnen war es genütlich warm. Meine Tante und meine Großmutter standen zur Begrüßung im Vorzimmer. Sie verbrachten Weihnachten immer bei uns. Meine Oma sagte, wie jedes Jahr: »So schön war der Baum noch nie.«

Als wir dann alle vor dem Christbaum standen, durchströmte mich ein angenehm weihnachtliches Gefühl. Ich hätte noch lange so stehen können, aber die angenehme Stimmung wurde durch einen kleinen Zwischenfall unterbrochen. Meine Tante war in ihrer Ehrfurcht zu nahe an die flackernden Kerzen getreten. Ihr Seidentuch fing Feuer. Sie kreischte und schrie, und wir wussten nicht, was wir tun sollten.

Papa eilte schnell in die Küche und füllte einen Eimer mit Wasser. Den schüttete er der brennenden Tante über den Kopf, und sie war »gelöscht«.

Zuerst standen wir nur erstaunt da, und keiner sagte ein Wort. Schließlich begann ich, leise zu kichern, und die anderen stimmten mit ein. Ich ließ die Geschenke nicht mehr länger warten und stürzte mich auf die Pakete. Papa hielt meine nasse Tante in einem Photo fest, und es wurde noch ein schöner Abend. Meine Tante hat nicht einmal einen Kratzer abbekommen, nur das Seidentuch ist kaputt. Ich hoffe, nächstes Jahr ist Weihnachten etwas ruhiger.