Petra Erdely (11)

Die Geschichten

Katrin war spät dran. Heute war Montag, und sie hatte verschlafen. Als sie bei der Schule ankam, bemerkte sie, dass der Unterricht schon vor einer Viertelstunde begonnen hatte. An jedem anderen Tag wäre ihr das mehr oder weniger egal gewesen, doch heute hatte sie Deutschschularbeit.

Schnaufend öffnete Katrin die Klassentür.

»Setzen! Hier ist der Schularbeitenzettel«, begrüßte die Lehrerin Katrin. Das Heft lag schon auf ihrem Pult.

Katrin setzte sich und las die Themen durch: »Wenn ich einen Wunsch frei hätte!« lautete das erste Thema. Als zweites und drittes Thema standen: »Die Himmelsbrücke« und »Die Ratte Robert«.

»Na toll«, dachte sie missmutig. Sie nahm gleich das erste Thema, und nach einer Weile fing sie zu schreiben an.

Wenn ich einen Wunsch frei hätte. Karola war sieben Jahre alt. Sie lebte im Waisenhaus, da sie keine Eltern mehr hatte. Ihr größter Wunsch war, mit ihren Eltern zusammen zu sein. Es war Sommer, und alle Kinder im Waisenhaus fuhren auf ein Camp. Während dieser Zeit lernte Karola Anja kennen. Sie spielten jeden Tag zusammen und…

Katrin sah auf die Uhr. Nur noch eine Viertelstunde. Schnell schrieb sie weiter.

…wurden Freundinnen. Sie schienen Zwillinge zu sein. Alles, was die eine tat oder sagte, ähnelte dem der anderen. Es gab nur einen gravierenden Unterschied: den größten Wunsch. Anja wünschte sich nämlich keine Eltern, sondern Edelsteine und Juwelen. Eines Nachts kam eine gute Fee zu den beiden und erfüllte ihre Wünsche für eine Woche. Karola lebte eine Woche bei ihren Eltern. Sie war überglücklich. Anja kam in einen einsamen Raum mit den gewünschten Dingen. Doch froh war sie nicht, so einsam und allein. Nach einer Woche waren sie wieder im Camp …

»Noch vier Minuten! Oh, mein Gott!« dachte Katrin.

…Anja und Karola erzählten sich von ihren Erlebnissen. Nach einer Weile sagte Anja: »Wenn ich noch einen Wunsch frei hätte, würde ich mir auch Eltern wünschen.«

»Stunde aus!« rief die Lehrerin. Eigentlich wäre dies gar nicht nötig gewesen, denn die Schulglocke läutete sowieso. Katrin gab ab und hoffte das Beste.