Pauline Vörös (12)

Hysterisch

So, jetzt sind wir sechs Stunden gefahren, um hier in die Ferienwohnung zu kommen. Sehr aufregend war es heute nicht. Ich habe im Auto gelegen und »Maria Magdalena« gelesen. Zwischendurch auch eine Cola getrunken.

Wir haben unsere Sachen ausgepackt und die Zimmer einigermaßen bewohnbar eingerichtet. Und schon war der Tag vorbei.

Abends sagten meine Eltern, dass sie noch Wein verkosten wollten. Sie würden so gegen zwei Uhr zurückkommen. Also würden sie ungefähr um vier kommen, dachte ich, wie ich das schon aus Erfahrung kannte.

Ich begann, mein Zimmer zu erforschen. Da ich Hunger hatte, fing ich mit dem Kühlschrank an. Als ich ihn öffnete, kam mir eine große Schar Küchenschaben entgegen und verteilte sich froher Dinge in meinem Zimmer. Da ich immer noch Hunger hatte, beschloss ich, unten in der Pizzeria zu essen. Ich nahm mein Geld und ging los.

Ein Nachbar sagte: »Haben Sie auch Küchenschaben?«

»Ja, leider«, erwiderte ich.

»Ach, die kommen unten aus der Pizzeria!« sagte er.

Nun war mir der Appetit endgültig vergangen. Ich beschloss, ins Bett zu gehen. Ich knipste das Licht aus, hüpfte ins Bett und verkroch mich unter meiner Decke. Auf einmal fiel mir ein, dass meine Mutter mir erzählt hatte, dass in der Wohnung neben uns ein Mann gestorben war. Ich konnte mich noch lebhaft daran erinnern:

Ein ungefähr 20-jähriger Mann war mit brennender Zigarette ins Bett gegangen und eingeschlafen. Als er merkte, dass sein Bett brannte, war es schon zu spät. Er wollte zur Tür, doch er wurde bewusstlos. Rauchvergiftung. Die ganze Wohnung war abgebrannt, samt der Leiche.

Jetzt lag ich im Bett, und genau auf der anderen Seite der Wand war dieser Mann verbrannt. Auf einmal hörte ich eine Tür aufgehen.

»Mutti?« fragte ich ängstlich. Zur Antwort hörte ich ein Rascheln. Und ab und zu auch ein Pfeifen. Ich war starr vor Schreck.

Mein einziger Gedanke war: »Mach das Licht an!« Leichter gesagt als getan. Der Kühlschrank fing an zu brummen.

»Bin ich hier im Urwald?« rief ich verzweifelt. Ich schwitzte mich zu Tode. »Wie in der Sauna«, ging es mir durch den Kopf. Ich wusste, dass es so nicht weitergehen konnte. Ich fasste allen Mut zusammen und rannte, die Augen zugekniffen, zum Lichtschalter. In meiner Hektik stolperte ich über den Sessel. Ich jaulte auf. Ich zwang mich, die Augen zu öffnen und mich zum Lichtschalter zu schleppen. Wo war dieses verdammte Ding? Da, … endlich. Licht flutete den Raum, ich blinzelte.

Hinter einem Vorhang entdeckte ich etwas. Es sah aus wie ein Kamin, aber nein, ein Kamin war es nicht. Es war, wie ich nach weiteren Forschungen feststellte, ein Wetterhahn. Und immer, wenn er sich bewegte, hörte man ein schreckliches Quietschen, fast als ob eine Tür aufgeht. Das war also mein Hirngespinst.

Die Küchenschaben hatten geraschelt, und da das Fenster ein wenig aufstand, war ein Pfeifen zu hören.

»Mein Gott, bin ich hysterisch«, dachte ich und lachte über mich selbst.