Christiane Scherch (13)

Die Wespe, der Eismann und die Zwiebel

»Nina, Nina!« Jemand schüttelt mich. »Wach auf, wir müssen zum Eisstand, der süße Typ von vorigem Jahr ist wieder dort.«

»Was, wie, wo?« Ich war verwirrt.

»Komm schon, er bedient wieder.«

Sara riß mich hoch. Ihre Augen glänzten. Meinem Urteil nach war das ein Zeichen für einen ihrer schwachsinnigen Einfälle.

»Du musst so tun als ob dich eine Wespe gestochen hat, dann gibt er uns wieder eine Zwiebel«, folgte die Bestätigung auf meine Vermutung. Allerdings begriff ich auch nicht gleich, was sie wollte. Wir liefen über die Wiese. Das hieß, Sara zog mich hinter sich her. Plötzlich bemerkte ich einen stechenden Schmerz im linken Fuß. Ich sackte ein Stück zusammen, aber ich bekam keinen Ton aus meinem Mund.

Sara redete ohne Punkt und Komma. Ich humpelte auf einem Bein. Am Eisstand drängelte sich Sara vor und grinste den Typen breit an. »Meine Freundin hat eine Wespe gestochen, kannst du ihr vielleicht eine Zwiebel geben?«

Der Typ grinste noch breiter als sie und meinte: »Türlich, komm mal mit rein, ich schau, was sich machen lässt.«

Sara folgte fröhlich dem Typ, und ich setzte mich draußen auf einen Stuhl. Es dauerte ewig, bis der Schmerz einigermaßen nachließ. Sara lachte drinnen. Mich hatte sie anscheinend vergessen. Ich hielt mir wimmernd den Fuß und hoffte, dass Sara bald die Zwiebel brachte. Nach einiger Zeit humpelte ich zum Imbisswagen und klopfte an. »Sara, die Zwiebel.«

Von drinnen hörte ich Sara zu dem Typ sagen: »Warte einen Moment.«

Dann riß sie die Tür auf und zischte mich an: »Nina! Nur, weil du eifersüchtig bist, brauchst du nicht so ein Theater machen, für dich finden wir auch noch einen.«

»Aber mich hat wirklich eine Wespe gestochen.« Ich hielt ihr meinen Fuß hin.

»Du spinnst ja komplett«, waren ihre letzten Worte, bevor sie die Tür wieder zuschmiss.

Ich drehte sauer um und ließ mich auf mein Handtuch plumpsen. Der Stich war nicht mehr so schlimm, aber Sara regte mich unheimlich auf. Wegen einem Typ ließ sie mich an meinen schrecklichen Schmerzen fast krepieren. Na toll!

Ich döste eine Weile vor mich hin und wurde dann durch ein Mordsgeschrei geweckt. »Nina, ich bin in eine Wespe getreten, schnell, ich brauch eine Zwiebel!«

Ich grinste sie fies an. »Frag doch deinen Eismann.«

»Aber ich kann nicht laufen!«

»Dann lass dich eben tragen.« Genüßlich erhob ich mich von meinem Handtuch und steuerte auf das Schwimmbecken zu. Ganz kurz hörte ich noch: »Du bist gemein«, bevor sich mein Kopf unter dem kühlen Wasser begraben ließ.