Beatrix Reif (10)

Der geheimnisvolle Brief

Nina saß, wie immer, noch halb schlafend am Frühstückstisch und blätterte in der Zeitung. Sie suchte das »Liebe ist…«-Bild, denn die sah sie sich gerne an. Plötzlich stockte sie. Sie blätterte wieder eine Seite nach vor. Da stand:

Mann verschwunden

Gestern ist ein Mann beim Wandern in der Hochsteinhöhle auf mysteriöse Weise verschwunden. Suchtrupps suchen schon die ganze Nacht.

Als Nina fertig gelesen hatte, hang ihr das Unterkiefer fast bis in ihr Joghurt. Doch als ihr Kinn dann wirklich voll war, besann sie sich und klappte den Mund wieder zu.

Sie und ihre Freundin Lisa hatten ausgemacht, in genau diese Höhle zu gehen, in der der Mann verschwunden war. Nina bekam ein mulmiges Gefühl im Bauch. Doch dann dachte sie: »Was soll uns schon passieren, wenn wir uns am Weg halten?«

Am nächsten Tag hatte Nina den Zeitungsartikel schon wieder vergessen. Fröhlich, ohne ein einziges klitze-kleines Bedenken holte sie ihre Freundin Lisa ab. Auch Lisa hatte keine Bedenken, denn sie rührte keine Zeitung an.

Nina und Lisa stiegen in den nächsten Bus zur Höhle und fuhren davon. Als sie schon lange gefahren waren, waren sie am Ziel. Sie stiegen aus.

Dann gingen sie ungefähr einen Kilometer weit, bis sie vor dem Höhleneingang standen. Dort war eine Tafel angebracht:

Lieber Wanderer!

Halte dich am Weg und lasse keinen Müll liegen. Bitte hebe auch den Müll von anderen auf.
Danke!

Lisa und Nina gingen in die Höhle. Als sie schon ein paar Minuten gegangen waren, sahen sie etwas. Es sah aus wie eine Lacke, in der ein Stecken und ein Papierfetzen lagen. Doch als sie näher herangingen, um den Stecken und das Papier aufzuheben (sie waren sehr große Umweltfreunde), grauste es ihnen, denn sie sahen, was es wirklich war: Blut, ein Messer und ein kleiner Zettel.

Da fiel Nina wieder der Artikel in der Zeitung ein. Sie erzählte Lisa von ihm.

Lisa fragte: »Sollen wir?« und zeigte auf den Zettel.

»Ja«, sagte Nina entschlossen und ging auf die Lacke zu. Mit einem Ausdruck von Ekel im Gesicht hob sie den Zettel auf. Nina entfaltete das blutgetränkte Papier. Darauf stand:

permusolbel

23

Nina und Lisa sahen ihn eine Weile an. Plötzlich rief Lisa begeistert: »Das ist ein Hinweis! Eine geheime Nachricht! Vielleicht hat es etwas mit dem verschwundenen Mann zu tun!«

»Genau!«

Die beiden studierten und studierten und studierten. Als ihnen schon die Köpfe rauchten, hellte sich Ninas Miene plötzlich auf. Sie sagte: »Du, Lisa, ich glaub’, ich weiß, was das heißt!«

»Echt?« fragte Lisa begeistert.

»Ja! Das SOLBEL könnte umgedreht LEBLOS heißen! Und MU heißt UM!«

»Genau! Jetzt müssen wir nur noch wissen, was PER und 23 heißt!« Lisas Stimme überschlug sich.

»Moment! Ich glaub, ich weiß es! 23 könnte die Uhrzeit sein, und PER könnte der Name sein!«

»Ja genau!« sagte Nina.

»Moment! Wart! Mir fällt es gleich ein! Ich hab‘, glaube ich, noch mal was gelesen, dass der Mann, der verschwunden ist, Peter Eberhart Reif geheißen hat!«

»Dann haben wir ja alles gelöst!« rief Lisa.

»Peter Eberhart Reif LEBLOS UM 23 Uhr!«

Plötzlich fing Nina an zu zittern. »D-das heißt ja d-das der Herr P-peter Eberhart Reif um 23 Uhr u-umgebracht worden i-ist!«

»Ja. Komm, gehen wir und bringen das zur Polizei.«

Lisa versuchte, ruhig zu bleiben und ihre Angst zu verbergen, was ihr aber nicht ganz gelang.

Nina nahm das Messer, Lisa fand eine Kreide in ihrem Rucksack und kennzeichnete die Lacke mit dem Blut, indem sie sie einkreiste. Dann verließen sie, wie auf Kommando und so schnell sie konnten, die Höhle. Als sie wieder aus der Höhle heraußen waren, gingen sie wieder normal.

Dann, als sie am Fuß des Berges angelangt waren, fuhren sie mit dem Bus zur nächsten Polizeistation. Dort gaben sie den Zettel und das Messer ab, erläuterten dem anwesenden Beamten die Lösung des Zettels und beschrieben die Stelle, an der sie diese Sachen gefunden hatten.

Der Beamte sah im Polizeicomputer nach. Er entdeckte, dass es schon eine paar solcher Morde gegeben hatte und dass 20 000 Schilling Belohnung auf die Verbrecher ausgesetzt waren.

Die Polizei nahm den Ort, an dem die beiden Mädchen die Beweise gefunden hatten, genauer unter Lupe, fand Herrn Peter Eberhart Reif, wenn auch tot, und fasste schließlich auch die Verbrecher, die ihn umgebracht hatten, die sie dann auch einsperrte.

Und für Lisa und Nina sprang auch eine »kleine« Belohnung heraus. Es waren für jede 10 000 Schilling. Sie freuten sich. Denn eine »kleine« Taschengeldaufbesserung kann man schließlich immer gebrauchen.