Anton Maurer (11)

Münchhausen als Kidnapper

Eines Tages, als Münchhausen im Bett lag, so gegen drei Uhr nachmittags, ging die Tür seines Hauses auf, und ein aufgeregter Diener kam herein.

»Ich …«, stammelte er.

Doch Münchhausen unterbrach ihn wütend: »Wer wagt es, mich in dieser Herrgottsfrühe aus dem Bett zu jagen? Als ich ihn Mallorca wohnte, stand ich jeden Tag erst um fünf …«

Doch der Diener meinte: »Draußen vor der Tür steht ein Verrückter!«

»Juhu«, freute sich Münchhausen, »endlich einer von meiner Sorte!« Schlaftrunken taumelte er zur Tür.

Draußen stand ein bärtiger Fremder. Er sagte mit einer Verbeugung: »Sehr geehrter Baron von Münchhausen! Ich bin gekommen, um mir einen Rat zu erbitten. Ich habe seit längerer Zeit heftigen Streit mit der Königin meines Landes. Da dachte ich …«

Münchhausen jubelte: »Jawohl, wir werden der Königin eins auswischen. Ich kann sie sowieso nicht leiden!«

Er bat den Fremden in sein Haus, und die beiden schmiedeten einen Plan. Am nächsten Tag verkleidete sich Münchhausen als Arzt und schlich mitten in der Nacht zum Palast der Königin. Bei der Wache behauptete er, dass er ein Arzt sei, der die Königin von einer schlimmen Krankheit heilen sollte. Die Wache geleitete ihn zum Gemach der Königin. In der Zwischenzeit schlich sich der Fremde – nennen wir ihn Peter – auch in den Palast ein.

Als die Wache gegangen war, ging Münchhausen in das Gemach der Königin. Er fesselte und knebelte sie und zog sich ein Kleid von ihr an. Vorsichtshalber schleppte er die Königin unter ihr Bett. Dann schminkte er sich, trug ein dickes Make-up auf und sah schließlich fast genauso aus wie sie. Dann legte er sich in ihr Bett.

Als er am Morgen aufwachte, drang die Kunde an sein Ohr, dass die Schatzkammer des Schlosses ausgeraubt worden war. Münchhausen lächelte. Er wusste ja, dass sein neuer Freund Peter das gewesen war. Er zog sich ein diamantblaues Kleid der Königin an, färbte sich noch schnell die Haare und ging zum königlichen Frühstück.

Der König sah ihn beunruhigt an und meinte: »Du siehst heute so anders aus, Liebes!«

Münchhausen erwiderte anscheinend gekränkt: »So was sagt man nicht! Ich habe heute schlecht geschlafen!«

Er verschwand in das Zimmer der Königin, nachdem er sich selbst zwei Stunden absolute Ruhe verordnet hatte. Er sah aus dem Fenster. Glücklicherweise stand schon Peter unten und winkte. Da steckte Münchhausen die Königin kurzerhand in den Mistkübel und seilte sie aus dem Fenster ab. Da das Fenster der Königin in einer Richtung lag, wo alle heiligen Zeiten jemand hinsah, war diese Aktion relativ ungefährlich Dann seilte Münchhausen sich selbst ab. Er und Peter verschwanden schleunigst mit der Königin.

Als man entdeckte, dass die Königin verschwunden war, suchte man sie im ganzen Land. Vergeblich. Schließlich setzte der verzweifelte König alle seine verbliebenen Schätze samt dem Königreich als Belohnung für den, der ihm die Königin gesund und munter zurückbrächte.

Das ließen sich Münchhausen und Peter nicht zweimal sagen.

Am nächsten Morgen wurde die Königin gefunden. In einem Mistkübel im Schweinestall. Der König war zwar furchtbar wütend, aber er hielt sein Versprechen. Münchhausen und Peter aber regierten von nun an das Reich des Königs glücklich und zufrieden bis an ihr Ende.