Marieke Kühne (12)

…und Friede auf Erden…

An diesem Morgen war es wieder einmal sehr kalt. Obwohl sie an diesem Tag keine Schule hatte, war die zehnjährige Rosie unterwegs in Richtung Stadt. Es war kurz vor Weihnachten, und Rosie hatte noch kein einziges Geschenk gekauft. Also machte sie sich auf den Weg, um Wolle zu kaufen, aus der sie Mützen, Taschen und Handschuhe für ihre Familie häkeln wollte.

Plötzlich hörte Rosie Geschrei. Sie folgte den Schreien und stand plötzlich in einer schmalen, dunklen Gasse vor drei großen Jungen. Sie schrien einen sechsjährigen Buben an, der vor ihnen stand. Man sah ihm sofort an, dass er Ausländer war. Er hatte schwarzes Haar und kugelrunde, dunkelbraune Augen. Auch seine Haut war braun. Dann wurden ihre Gedanken von dem Geschrei eines der drei ungefähr vierzehnjährigen Buben unterbrochen. »He, du da! Geh weg!« rief er Rosie zu. »Prügeleien sind nichts für Mädchen! Erzählst es womöglich noch den Bullen, wenn wir den Knoblauchfresser hier verdreschen!«

Ängstlich blickte der Sechsjährige Rosie an. Kurz entschlossen nahm sie ihn auf den Arm und schrie wie am Spieß. Die Buben riefen: »Halt die Klappe!« Kurz hörte Rosie auf zu schreien und fragte: »Was habt Ihr eigentlich gegen den Kleinen? Hat er euch etwas getan?«

»Ja, er ist hergekommen!« rief einer der drei, und sie lachten. »So, jetzt haben wir aber genug gelacht! Lasst uns lieber abzischen, bevor jemand kommt!« Das taten sie auch, und im Nu stand Rosie allein mit dem kleinen Jungen in der Gasse.

Rosie fragte ihn: »Sprichst du deutsch?« Doch der Junge schaute sie nur fragend an. Plötzlich sah Rosie ein Mädchen auf sich zukommen. Sie sah dem Jungen sehr ähnlich und war ungefähr so alt wie Rosse. Der kleine Junge sagte etwas in einer anderen Sprache zu ihr. Anscheinend hatte er ihr erzählt, was eben geschehen war, denn das Mädchen warf ihr einen dankbaren Blick zu, drückte ihr etwas in die Hand und rannte mit dem Buben am Arm davon.

Das, was das Mädchen ihr gegeben hatte, war eine wunderschöne Kette. Sie war aus kleinen roten Steinehen und in der Mitte hatte sie eine mit Gold umrandete Perle. Völlig verwirrt betrachtete Rosse die Kette und dachte: »Was soll an Ausländern bloß so schlimm sein?«