Marieke Kühne (13)

Peinlich, peinlich

Ihr kennt bestimmt das Gefühl, das ihr euch wünscht, die Erde würde sich auftun und euch verschlingen. Ihr würdet am liebsten weglaufen. Am besten wäre es aber, wenn man einfach auswandern würde. Genau, auswandern! Nach Afrika, Amerika oder zum Nordpol. Meistens stehen einem jedoch gewisse Personen im Weg. Mit diesen meine ich die Eltern. Meistens sagen sie, wenn man in seiner Verzweiflung zu ihnen kommt, sie bittet, ganz schnell mit ihnen umzuziehen, so einen Satz wie: »Wo kämen wir denn dahin, wenn wir bei jedem deiner Probleme umziehen würden! Du musst lernen, solche Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen. Außerdem haben wir nicht genug Geld dazu. Also schlag dir das aus dem Kopf!«

Und genau diesen Satz sagte meine Mutter letzte Woche zu mir. Mir ist nämlich etwas so Peinliches passiert, dass ich einfach auswandern muss! Eine andere Alternative gibt es jawohl kaum, wenn der große Bruder in der ganzen Schule peinliche Babyphotos aufgehängt hat! Und das alles nur, weil ich die unabgeschickten Liebesbriefe an ein nettes Mädchen in einer Parallelklasse nun doch abgeschickt habe. Ich wollte ihm ja eigentlich nur einen Gefallen tun, doch leider zeigte dieses »nette« Mädchen die Briefe allen möglichen Leuten. Naja, und dann hat er diese Photos aufgehängt. Mir war das so peinlich, dass ich nach der Schule so tat, als würde ich telephonieren, damit ich nicht mit den anderen reden musste.

Blöderweise klingelte in diesem Moment mein Handy. Lachend drängten sich meine Klassenkameraden um mich und hörten mir beim telephonieren zu. Meine Mutter hatte mich angerufen. Ich wollte nach der Schule zu meiner Freundin gehen und bei ihr übernachten. Genau aus diesem Grund hatte meine Mama angerufen. Sie wollte wissen, ob ich auch meine »König der Löwen«-Socken nicht vergessen hätte.

Das war zu viel für die, die um mich herumstanden. Sie bekamen einen Lachkrampf. Mir hingegen war eher zum Heulen zumute, doch diese Blöße wollte ich mir nicht geben. Also nahm ich die Beine in die Hand und rannte, so schnell ich konnte, zu meiner Freundin.

Ich weiß jetzt immer noch nicht, wie ich diese Situation heil überstehen soll. Mir fallen nicht mehr als vier Möglichkeiten ein. In Luft auflösen, im Erdboden versinken, in ein Mauseloch verkriechen oder auswandern. Leider ist keine dieser Möglichkeiten sehr realistisch. Also bleibt mir nichts anderes übrig, als abzuwarten. Doch vorher will ich euch noch einen guten Rat geben: Hände weg von den Liebesbriefen des großen Bruders!

Ich mag dich!

Ich mag dich! An einem kalten Regentag wie heute würde ich am liebsten gar nicht aufstehen. Doch es sind leider keine Ferien. Leider! Ich muss mich wie jeden Tag waschen, anziehen, mein Müsli runterschlingen und mich auf den Schulweg machen.

Mit müden Augen schleiche ich die breite Asphaltstraße entlang. Bei so einem Wetter sollte es verboten sein, zur Schule zu gehen. So, noch um diese Ecke, dann bin ich endlich da.

»Aua! Kannst du nicht aufpassen!« schreit ein Typ mich an. Ich bin zu schnell um die Ecke gebogen, dass ich ihn gar nicht bemerkt hatte. Dann bin ich mit ihm zusammengestoßen. Jetzt grinst er mich an und sagt: »Hast es sehr eilig, zur Schule zu kommen!«

Ich grinste zurück, sagte aber nichts. Dann blicke ich in seine Augen. In wunderschöne, blitzblaue Augen. Wow! Anscheinend habe ich wohl sehr komisch geschaut. Jetzt sagt er nämlich: »Du guckst mich an, als wäre ich ein Alien. Na, auf jeden Fall muss ich jetzt weiter. Man sieht sich!«

»Nein, nicht! Bleib da! Bleib’ stehn!« denke ich mir.

Ich habe es wohl doch laut gesagt, denn er bleibt stehen und sagt: »Wieso?«

»Ääähmm! Najaaa, … äääh! In welche Schule gehst du?« sage ich, um vom Thema abzulenken.

»In die Rosemarie-Klauen-Schule! Und du?« fragt er.

»Ich auch! Wir könnten doch eigentlich immer zusammen zur Schule gehen, … oder? Ich meine … natürlich nur, wenn du willst! Äääh …!« antworte ich.

»Klar! Aber heute geht’s noch nicht. Ich muss zum Zahnarzt! Ciao! Und … ich mag dich!« sagt er, bevor er aus meinem Blickfeld verschwindet.

 

Krach

Es war wieder einmal so weit. Ich hatte Krach mit meinen Eltern. Und das alles nur, weil ich eine Stunde zu spät von dieser Party zurück gekommen bin. Es ist so unfair, dass ich immer eine Stunde kürzer als die Anderen wegbleiben darf.

Ich glaube, solche Probleme haben viele Teenager. Man fühlte sich unverstanden und würde am liebsten auswandern. Und die Gründe dazu scheinen einem lächerlich. Man hat statt einer halben Stunde zwei Stunden telephoniert, ist zu spät gekommen oder hat den Angorapulli der Mutter im Bus vergessen.

Naja, nun aber wieder zu mir. Ich lag am Boden und hatte den Kopf in die Hände gestützt. Die Tür hatte ich abgeschlossen. Außerdem hatte ich meine Musik so laut gestellt, dass mir fast das Trommelfell platzte. Aber wen würde das schon stören. Mein Leben interessiert sowieso niemanden. Angebrüllt hatten mich meine Eltern. Nun hatte ich drei Wochen Hausarrest und genauso lang Fernsehverbot. Naja, was solls! Jetzt ist sowieso schon alles egal.

Die Meisten denken jetzt sicher, ich bin ein Pessimist. Aber das war schon der vierte Streit in dieser Woche. Oh, es klopfte an der Tür. Sollte ich aufmachen? Na gut, ich tat es. Meine Mutter stand vor der Tür.

»Oh nein, bitte nicht nochmal!« dachte ich mir, als ich sie sah. Aber sie sah gar nicht böse oder sauer aus. Eher traurig und müde. Schnell schaltete ich die Musik aus. Dann sagte meine Mutter: »Ich will dich jetzt nicht mit einer Moralpredigt langweilen. Vielmehr wollte ich dir sagen, dass ich dich eigentlich verstehe. Mir ging es früher genauso wie dir. Vielleicht schaffen wir es doch, eine Lösung zu finden, dass wir nicht mehr so oft streiten. Denk einmal darüber nach.« Dann ging sie und schloss die Tür hinter sich.

»Wow, gut gesprochen, Mutti«, dachte ich. Das war das erste Mal, das ich das Gefühl hatte, ein Erwachsener würde mich verstehen.

 

Das Wundermittel oder: Hilfe, ich bin ein Alien

Mir ist wieder einmal total langweilig. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Es sind Ferien, und alle meine Freundinnen sind verreist. Langeweile pur! Meine Bücher habe ich alle schon mindestens zweimal gelesen, die Geschäfte haben geschlossen, weil heute Sonntag ist, und ich habe Fernsehverbot, weil ich, obwohl meine Eltern es verboten haben, zu der Party letzte Woche gegangen bin.

Ich habe beschlossen, auf den Dachboden zu gehen. Ich stöbere gerne in alten Sachen, und die liegen nun mal alle am Dachboden. Also klettere ich die steile Treppe zum Dachgeschoss empor. Es ist ziemlich dunkel, aber ich habe meine Taschenlampe dabei. Puh, ist das gruselig. Ich schalte die Taschenlampe an, oder zumindest versuche ich es. Ich bin nämlich darauf gekommen, dass die Batterien leer sind.

»Oh mein Gott!« denke ich mir. »Wie komme ich hier wieder raus!« Behutsam taste ich mich an der Wand entlang. Plötzlich sehe ich ein grünes Licht. Ich gehe dem Schein nach. Dann bemerke ich, dass das grüne Licht von einer mit grüner Flüssigkeit gefüllten Flasche kommt. Vorsichtig berühre ich sie. Aber was geschieht da? Meine Hand leuchtet grün, nachdem ich die Flasche berührt habe. Hilfe! Ob man das wieder abwaschen kann? Also zieh ich mir Handschuhe an und hebe das Gefäß auf. Die Handschuhe leuchten sofort grün. Als ich die Flasche näher betrachte, bemerke ich, dass darauf ein dunkelgrünes Etikett klebt. In hellgrüner Schrift steht dort geschrieben: MAIKOPAKTA: PAKA NITA BINGA!

Ähm, na ja … ob das Chinesisch ist? Auf jeden Fall irgendeine Sprache, die ich nicht kenne. Ich lege die Flasche wieder zurück und ziehe die Handschuhe wieder aus. Diese Worte auf der Etikette klingen sehr bedrohlich. »Am besten lasse ich diese Flasche nun in Ruhe«, denke ich mir.

Plötzlich bemerke ich ein Ziehen in der Hand, mit der ich die Flasche früher berührt habe. Oh nein! Sie beginnt sich in die Länge zu ziehen! Nun verteilt sich die grüne Farbe über meinen ganzen Körper. Mein Kopf wird ganz lang, meine Beine werden immer kürzer. Da bemerke ich, dass meine Augen zu einem Auge zusammenschmelzen. Hilfe, ich bin ein Alien!

Ich schreie wie am Spieß, plötzlich höre ich die Stimme: »Hallo: Aufwachen! Wir fahren zu deiner Tante!«

Was? Ich habe das alles nur geträumt? Das darf doch wohl nicht war sein!

»Könntest du mir bitte beim Geschirrspülen helfen?« redet meine Mutter weiter. Na klar! Besser als noch einmal einzuschlafen. Also folge ich ihr in die Küche. Doch was ist das? Sie hält eine Flasche mit grüner Flüssigkeit in der Hand.

»Lass sie fallen! Das ist gefährlich!« schreie ich.

»Was hast du denn plötzlich gegen Spülmittel? Ist das eine Methode, sich vor dem Abwasch zu drücken?« fragt sie und schüttelt den Kopf.

 

Vollmond

Es ist Vollmond, und ich liege wieder einmal wach im Bett. Seit vier Stunden versuche ich schon zu schlafen, doch es funktioniert nicht. »Ich krieg’ die Krise!« denke ich mir. Morgen werde ich wahrscheinlich den ganzen Tag mit müden Augen dasitzen. Na ja, was hilft’s, jetzt zu meckern. Schlaf muss her! Schäfchen zählen hilft nicht. Hab’ ich schon mal ausprobiert.

So, nun mach ich mal das Fenster auf. Aber … was ist das? Zwei rote Augen funkeln mich böse an. Hilfe, ich glaub’, ich mach das Fenster lieber wieder zu!

Die Augen gucken mich immer noch an. Ob das ein Vampir ist? Ach Quatsch, es gibt doch keine Vampire … oder doch?

Plötzlich höre ich einen Laut: »Mauuuu!« Puh, die funkelnden Augen gehören zu einer Katze.

Nun leg’ ich mich am besten wieder ins Bett schlafen. Uuuups, ich hab’ ganz vergessen, dass ich gar nicht schlafen kann. Gähn, jetzt werde ich müde … schnarch!

Die Gustav-Anlauf-Straße

Damals, in alten Zeiten, lebte kein Mensch in der Gustav-Anlauf-Straße. Früher hieß sie noch Kein-Durchgang-Straße. Diesen Namen hatte sie daher, weil vor der Straße ein riesengroßer Riss in der Erde war. Keiner wusste, woher dieser kam. Er war einfach da. Bis jetzt war das für niemanden ein Problem gewesen, da die Straße hinter dem Abgrund nicht besonders verlockend aussah. Wilde Pflanzen und Tiere lebten dort. Oft hörte man Wölfe heulen und Löwen brüllen.

Es wurde alles anders, als die Königin erkrankte. Es war eine unbekannte Krankheit, und kein Arzt der Welt wusste sie zu heilen.

Doch eines Tages trat ein alter, weiser Mann an das Bett der Königin. Er sagte: »Ich weiß, wie man heilen kann, Majestät. Das einzige, was dazu nötig wäre, ist ein Tee aus einem roten, herzförmigen Blatt. Daran gibt es nur ein Haken. Diese Blätter wachsen nur in der Kein-Druchgang-Straße.«

Also ließ die Königin verordnen, dass alle Burschen über vierzehn Jahre versuchen sollten, über diesen Abgrund zu springen. Wer es schaffte, würde das halbe Königreich bekommen. Sofort übten alle Burschen fleißig. Die größten und stärksten wurden auserwählt, um die Pflanze zu holen. Sie banden ein Seil an einem Ende an einem Pfahl fest und das andere Ende banden sie sich um den Bauch. Wenn sie es nicht schafften, baumelten sie an einem Seil im Abgrund. Die Versuche endeten auch immer so. Keiner schaffte es.

Während dieses ganzen Tumults, etwas abseits der sogenannten Sprungstelle, spielten Buben neben dem Abgrund Fußball. Es waren Gustav und seine Freunde Michael, Christian und Philipp. Sie waren alle vierzehn Jahre alt und ziemlich sportlich. Doch der Sportlichste von allen war Gustav. Er sprang wie ein Känguruh und rannte wie ein Gepard. Auch beim Fußball gewann immer die Mannschaft, in der Gustav war. So auch an diesem Tag. Phillipp, der nicht in Gustavs Mannschaft gewesen war, trat vor Wut mit aller Wucht gegen den Ball. Doch, oh Gott, was war das? Der Ball landete … in der Kein-Durchgang-Straße! Und was tat Gustav? Er sagte: »Kein Problem!« und nahm einen langen Anlauf. Er wollte über den Riss in der Erde springen. Seine Freunde versuchten noch, ihn davon abzuhalten, doch da sprang er schon. Michael schrie auf. Er sagte: »Gustav hat’s geschafft! Er ist drüben!«

Da bemerkten die Buben erst, dass sie nicht allein waren. Ein Mann hatte sie beobachtet. Nun schrie er: »Der Junge! Der Junge hat’s geschafft.« Dadurch wurden ein paar Menschen aufmerksam. Als sie Gustav sahen, jubelten sie. Nun konnte ihre geliebte Königin endlich geheilt werden. Und wegen dem langen Anlauf Gustavs heißt die Straße nun Gustav-Anlauf-Straße.