Klara Jiranek (13)
Nichts wie weg!
Lena ist ein 13-jähriges selbstbewusstes und überaus beliebtes Mädchen. Aber sie hat ein Problem, das sie schon seit Monaten beschäftigt. Und zwar ihre Eltern, die sich vor einem halben Jahr scheiden ließen. Anfangs kam Lena damit noch nicht ganz klar, aber langsam gewöhnte sie sich an die neue Situation. Aber dann platzte plötzlich ein neuer Mann in das ruhig verlaufende Leben Lenas und ihrer Mutter Susanna. Susannas neuer Arbeitskollege Julian, ein richtiger Gentleman. Lenas Mutter konnte ihn wirklich gut leiden. Lena hingegen war Julian gegenüber sehr unhöflich und versuchte, ihm klar zu machen, dass er bei ihr absolut unerwünscht war. Sogar seine zuvorkommende Art konnte sie nicht leiden. Jedesmal, wenn Julian nett zu ihr war, dachte sie sich, er wolle sich bei ihr einschleimen. Lena war sich gar nicht bewusst, wie sehr sie noch an ihrem Vater hing.
Schon fast ein Monat lang traf sich Susanna nun mit Julian, und Lena ärgerte sich immer mehr über das Verhalten ihrer Mutter.
Eines Tages holte Susanna Lena mit dem Auto von der Schule ab. Schließlich brach Susanna das Schweigen: »Hör zu, Lena, ich kenne Julian nun schon sehr lange, ich glaube, jedenfalls lange genug. Und ich denke, dass er der richtige Mann in meinem Leben ist!«
Das traf Lena wie ein riesiger Steinbrocken! Sie wollte schreien, heulen, um sich schlagen, aber sie blieb wie betäubt sitzen und war nicht fähig, auch nur ein Wort zu sagen. Susanna war sichtlich überrascht über diese Reaktion. Schließlich erfing sich Lena wieder ein wenig und fragte mit zitternder Stimme: »Wollt ihr denn heiraten?«
Die Ampel sprang auf Rot und Susanna stieg auf die Bremse. Sie wandte sich ihrer Tochter zu. Sie sah ihr tief in die Augen. »Hast du denn was dagegen?« fragte sie leise.
Doch Lena konnte nicht mehr antworten. Sie riss die Tür des Autos auf, sprang aus dem Wagen und rannte blindlings davon. »Weg, weg, einfach nur weg von diesem Ort!« dachte sie sich. Jetzt rannen ihr die Tränen nur so über ihre Wangen. Ohne nach links oder rechts zu schauen, rannte sie über die, zum Glück, leere Straße, auf den Gehsteig. Sie lief weiter, stieß Leute um, achtete nicht auf das, was diese ihr nachriefen. Lena konnte nicht mehr klar denken, wollte gar nicht darüber nachdenken, was ihr ihre Mutter gerade erzählt hatte. So rannte sie fast eine viertel Stunde lang, ohne zu stoppen. Nicht einmal rote Ampeln konnten sie in ihrer Verzweiflung und Wut aufhalten.
Jetzt ging ihr die Luft aus und sie setzte sich auf eine Parkbank. Lena hatte die Orientierung nun völlig verloren, aber das beschäftigte sie im Moment wirklich nicht. Sie atmete einmal kräftig durch und wischte sich die Tränen aus den Augen. Sie überlegte, was sie jetzt tun sollte, sie konnte schließlich nicht den ganzen Tag hier sitzen und nichts tun. Was ihre Mutter jetzt wohl tun würde? Plötzlich packte Lena ein unglaubliches Heimweh. Sie wollte mit ihrer Mutter sprechen, sich ausweinen.
Langsam stand sie auf und verließ die Parkanlage, in der sie sich befand. Stundenlang irrte sie in verlassenen Straßen umher, sie hatte keine Ahnung mehr, wo sie sich befand. Schon wollte sich Lena wieder setzen und für den Rest des Tages sitzen bleiben, da hupte es plötzlich laut hinter ihr. Lena drehte sich ruckartig um, und wirklich, da fuhr Julians Auto langsam neben dem Gehsteig her. Überglücklich riss Lena die Türe auf und flog Julian aus Dankbarkeit um den Hals. Dann schlief sie vollkommen erschöpft ein.
Erst spät am nächsten Morgen, es war ein Sonntag, wachte Lena wieder auf. Sie war noch ein wenig schläfrig, aber ansonsten fühlte sie sich ganz gut. Am Vormittag führten Susanna, Lena und Julian schließlich ein klärendes Gespräch. Sie kamen zu dem Entschluss, mit der Hochzeit doch noch ein wenig zu warten, um sich besser kennen zu lernen. Lena fühlte sich das erste Mal in ihrem Leben richtig glücklich, und fand, dass Julian doch gar nicht so übel war, wie sie ursprünglich angenommen hatte.