Lisa Heidinger (12)

So lebendig wie ein Fisch im Wasser

»Fang mich doch! Fang mich doch! Du kriegst mich eh nicht!« rief Flippo, während er geschickt eine Koralle umkreiste.

»Klar krieg ich dich!« antwortete sein Bruder Fussel. Er strengte sich an und beschleunigte seine Flossenschläge. Bald hatte er Flippo eingeholt und patschte ihm mit der Flosse auf den Rücken. »Siehst du!«

Aus Flippos Mund sprudelten kleine Bläschen. »Warte, ich muss mich kurz ausrasten!« sagte er, während er sich auf einer Algenbank niederließ.

Eine alte Qualle schwamm vorbei, die sie freundlich grüßte.

»Weißt du was,«meinte Fussel, »ich hab jetzt Hunger gekriegt. Ich schwimm Heim!« Und er drehte sich um.

»Warte auf mich!« rief Flippo und paddelte aus Leibeskräften mit seinen Flossen.

Beim Nach-Hause-Schwimmen erblickte Fussel einen dicken, fetten Wurm, der sich hilflos im Wasser wand. »Schau mal, wer sich da zu uns verirrt hat! Den Fetten schnapp ich mir!«

Fussel paddelte los Richtung Wurm, doch Flippo reagierte schnell und biss ihm in den Schwanz.

»Hey, was ist denn? Bist du blöd?«

»Nein«, antwortete Flippo. »Aber weißt du nicht mehr, dass Mama uns erzählt hat, dass die Menschen uns solche Fallen stellen?«

»Ach Mama! Diese Sicherheitsfanatikerin! Jetzt gönn mir das doch mal. So was Gutes kocht Mama nie! Außerdem bin ich kein so ungeschickter Kugelfisch wie Paps. Ich zupfe den Wurm runter und verschwinde dann wieder!«

Flippo sah ihn nur traurig an. »Na gut, dann eben nicht!« maulte Fussel mürrisch. Er drehte sich um und schwamm nach Hause. Flippo folgte ihm.

Nachdem ihre Mutter verkündet hatte, dass es heute Wasserflöhe geben würde, meinte Fussel, er würde noch ein paar Runden ums Haus schwimmen, bis das Essen fertig sei. Als es endlich soweit war, schickte Mutter Sardelle Flippo hinaus, um seinen Bruder zu holen. Doch weit und breit war da kein Fussel. Flippo schwamm ums Haus – noch einmal und noch einmal, doch Fussel war unauffindbar.

Plötzlich hallten Schreie durch das sonst so ruhige Meerwasser. Flippo erschrak. Das war doch Fussels Stimme! Er folgte den Schreien, und wie er es sich gedacht hatte: Fussel hing zappelnd an der Angel! Flippo gab alles, was in seinen kleinen Flossen steckte. Er biss Fussel in den Schwanz und zerrte und zog – Doch vergebens. Fussel wurde an der Angel hochgezogen. Flippo sah nur hinauf, und langsam verschwand sein Bruder an der Wasseroberfläche.

Nun hatte er seinen über alles geliebten Bruder verloren. Flippo weinte, doch im Meer fiel das nicht auf. Da hörte er Flossenschläge hinter sich. Es war seine Mutter.

»Flippo! Da bist du ja! Ich hab dich schon überall gesucht! Wo ist denn Fussel? Eure Wasserflöhe sind schon ganz aufgedunsen!« Für einen Moment schwieg sie. »Er ist doch nicht etwa…!« Da fing auch sie zu weinen an.

Auf einmal klatschte hinter ihr ein Netzt ins Wasser, das sie einfing.

Von der Oberfläche drangen Stimmen. »He, Piedro! Siehst du die fette Sardelle da? Die schnapp ich mir jetzt!«

»Schwimm, Flippo, schwimm!« rief Mutter Sardelle, bevor auch sie an der Wasseroberfläche verschwand, und das Meer wieder ruhig wurde.

Flippo zögerte nicht. Weinend paddelte er mit seinen Flossen. Weg, nur weg wollte er von hier.

»Hey, der Fisch haut ab!« ertönte wieder eine Stimme.

»Ach, macht nichts«, beschwichtigte eine andere, ruhigere Stimme. »Für heute haben wir sowieso schon genug gefangen!«

Und während die beiden gefangenen Fische noch am Grill lagen, machte sich der Wurm, der eigentlich für Flippo bestimmt war, glücklich aus dem Staub.