Thomas Flecker (12)

Nichts wie weg

Georg schwitzte, als er durch das dunkle Schloss stürmte. Mit großen Schritten rannte er einen finsteren Korridor entlang. Eine Treppe hoch. Sackgasse. Wieder runter. Wie komm’ ich da bloß wieder raus, dachte er, ich hätte es wissen müssen!

Georg hatte mit seinen Eltern ein altes Schloss besichtigt. Es war verfallen, und hohe Kletterpflanzen überwucherten es. Seine Eltern hatten ihm verboten, in das Schloss zu gehen, doch er war natürlich trotzdem hineingeschlichen. Es war ziemlich düster. Am Rand der Korridore standen lauter Ritterrüstungen, und Georg ging darauf zu. Er fand sie so interessant, dass er gar nicht merkte, dass es bereits dunkel wurde.

Als Georg nicht kam, dachten seine Eltern, dass er schon nach Hause gegangen war, und gingen ebenfalls.

Also war er jetzt alleine. Verzweifelt irrte er im Schloss umher. Schwitzend versuchte er, den Ausgang zu finden. »Ich hätte es wissen müssen!« schimpfte er.

Endlich war er wieder am Fuß der Treppe angelangt. Er ging einen Weg nach links und dann wieder nach rechts. Jetzt war er völlig außer Atem. Da hörte er ein quietschendes Geräusch. Es war eine Tür.

Erschrocken rannte Georg los. Um die Ecke und eine Treppe hinauf.

Die Treppe war zu Ende. Er befand sich in einem dunklen, runden Raum voller Ritterrüstungen. Vermutlich war es ein Turm. Plötzlich hörte er Schritte. Jemand öffnete die Tür. Sie wurde aufgeschlagen. Eiskalter Wind, so stark, dass Georg fast abhob, schlug ihm entgegen. Die Rüstungen fingen an zu wackeln. Ein paar stürzten klirrend um. Georg rutschte aus und fiel hin. Zu spät bemerkte er die große Rüstung vor ihm, die gefährlich schaukelte. Sie kippte um.

Er blickte auf. Wie in Zeitlupe kam die riesige Axt, die die Rüstung in der Hand hielt, auf ihn zu. Die Axt schlug auf dem Boden auf. Doch sie hatte ihn nicht verfehlt.

Ein lebloser Arm lag am Steinboden. Die Axt hatte ihm einen Arm abgetrennt. Blut schoss aus dem Armstummel. Zu viel Schmerz, um zu schreien. Langsam stand Georg auf. Er wollte gar nicht hinsehen. Er taumelte rückwärts, stolperte über einen Rüstungsteil und stürzte aus dem Turmfenster, das sich in etwa 60 Meter Höhe befand. Nun schrie er, wie er kopfüber auf den Erdboden zuraste.

Krachend schlug er mit dem Kopf auf einen vorstehenden Ziegel auf. Er gab noch einen gurgelnden Laut von sich, dann war es still.

Kurz darauf schlug er auf dem blanken Fels auf und blieb, nachdem er den Abhang hinunter gerollt war, in einer Mulde liegen.

Am nächsten Morgen kam der Burgwärter zum Schloss. Plötzlich hörte er Hundegebell. Er folgte den Lauten. In einer Mulde sah er ein Rudel streunender Hunde, die auf etwas herumbissen und immer große Fleischbrocken herausrissen.

Er verjagte die Hunde und machte vor Schreck ein paar Schritte rückwärts. Vor ihm lag die zerfleischte Leiche des verunglückten Jungen.

 

Vollmond

Vollmond. Der alte Mann in der Waldhütte am Bauch wird unruhig. Er weiß, was geschehen wird. Er wird sich auch heute, wie bei jedem Vollmond, ein Opfer aufsuchen. Der Mann versucht verzweifelt, sich unter der Bettdecke zu verstecken. Doch das fahle Mondlicht hüllt das zitternde Häufchen, das auf dem Bett liegt, ein. Er möchte nicht. Er will nicht! Zu spät. Er beginnt sich zu verändern. Viele Haare sprießen ihm auf Gesicht und Körper, seine Zähne wachsen zu langen Reißzähnen heran. Seine Hände und Beine werden zu riesigen Pranken mit schrecklichen Klauen.

Ein riesiger Wolf zerfetzt die Bettdecke. Er stellt sich auf die Hinterläufe und zerschmettert die Tür. Dann stürmt er in die Nacht, heult kurz den Mond an und verschwindet in der Dunkelheit.

Der Werwolf sprintet und springt. Er hat nur eine Stunde Zeit. Endlich kommt das Landhaus in Sicht. Dort ist es, was er bracht – Menschenfleisch.

Die junge Frau Neep schläft unruhig. Sie kann Vollmond nicht leiden.

Der Werwolf hat das Haus erreicht. Er hat schon großen Hunger. Blutloser Speichel läuft ihm über die Reißzähne. Er schlägt die Tür ein.

Frau Neep schreckt hoch. Sie hat Angst.

Der Werwolf rennt die Treppe hoch. Er kommt ins Zimmer. Frau Neep kreischt laut auf. Der Werwolf hebt sie hoch, sie schreit. Er holt mit der Pranke aus und bohrt sich mit den Krallen in ihren Bauch. Sie hustet und strampelt am riesigen Arm des Werwolfs. Blut und Innereien quellen aus der offenen Wunde im Körper. Sie lebt noch. Das Monster führt sie an das Maul.

Kurz darauf ist ein lautes Krachen zu vernehmen. Der Kopf der Frau verschwindet ihm Rachen des Wolfs. Ihr schlaffer Körper wird zerrissen und ebenfalls verschluckt.

 

Die Steinbockgasse

Die Steinbockgasse ist nicht schön,
Wer möcht’ da schon spazieren gehen,
Verdreckt die Straße, vergittert die Fenster,
man denkt, in den Häusern hausen Gespenster.
Das burgartige Gebäude im islamischen Stil
war das, was mir am meisten gefiel.
Die Bank daneben war ein großes Haus
und sah wie ein Glaskanister aus.
Die Steinbockgasse gleich ein jeder vergisst,
nur ich nicht, weil mein Bruder als Sternzeichen ein Steinbock ist.

 

Scheidung
Große Verzweiflung
Zu trinken anfangen
Besorgt sich eine Waffe
Selbstmord

 

Im Leben gibt es schöne Zeiten,
die sich manchmal mit schlechten streiten
Das Leben ist wie ein Schiff im Wind,
Es schaukelt hin und her,
und wechselt geschwind,
Vom Guten ins Schlechte,
und umgekehrt auch,
So ist’s im Leben eben Brauch.
Doch Leute, die das nicht versteh’n,
die wollen nur gute Zeiten seh’n.
Wenn schlechte kommen, kriegen sie’s mit der Angst zu tun,
Leben, was unternimmst du nun?