Nada Dzubur (13)

Der Höllentrip

Es war schon spät, als meine Eltern endlich Essen gingen. Ich saß auf dem Sofa und schaute die tausendste Wiederholung von »Bodyguard«. Sobald sie aus dem Haus waren, rief ich meine Freundin an.

»Ich kann jetzt leider nicht kommen. Ich habe Hausarrest für die nächsten zehn Wochen!«

Das hatte ich ganz vergessen! Sie hatte die Mathe-Schularbeit verhaut. Also versuchte ich, eine Beschäftigung zu finden. Aber es war aussichtslos. »Toll,« dachte ich, »ich bin ganz allein zu Hause und habe nichts zu tun!«

Ich nahm die gestrige Zeitung in die Hand. Die Titelseite erstaunte mich. Da stand: »Zwei Kinder im Gebirge verschollen. Bericht auf Seite 2.«

Ich blätterte um: »Am 5. September sind zwei kleine Mädchen im Dachsteingebirge verloren gegangen. Beide sind zehn Jahre alt. Die Suchtrupps suchen schon seit drei Tagen, aber die Mädchen sind unauffindbar. Sie waren mit ihren Eltern unterwegs, und plötzlich wie vom Erdboden verschluckt.«

Da erinnerte ich mich an unsere Projektwoche vor drei Jahren. Wir hatten einen Ausflug zum Dachstein gemacht, und ich hatte ein seltsames Loch gesehen. Ich bin einen Schritt näher gegangen. Das Loch schien keinen Boden zu haben.

»Was ist denn das?« hatte ich meine Lehrerin gefragt. Doch als sie sich umgedreht hatte, war es verschwunden! Das konnte ich mir nicht erklären. Meine Mitschüler und meine Lehrelrin hielten mich für verrückt. Ich hatte dieses Erlebnis verdrängt und mir eingeredet, dass es kein Loch gegeben hätte.

Als meine Eltern wiederkamen, überredete ich sie, in den Ferien dorthin zu fahren. Ich bettelte und bettelte, bis sie zustimmten…

Es war sehr kalt im Gebirge. Mitten im Sommer gab es Schnee. Meine Eltern gingen voraus. Ich drehte mich um, und da sah ich es: das Loch ohne Boden. Da mussten die Mädchen hinein gefallen sein. Ich beugte mich vor, um hinein zu schauen, aber ich konnte nichts sehen. Ich ging noch ein Stückchen näher ran. Plötzlich zog mich eine unglaubliche Kraft in das Loch…

Ich saß auf einer riesigen Blumenwiese und wusste nicht, was geschehen war. Wahrscheinlich hatte ich eine lange Zeit geschlafen. Hier war es wie im Paradies. Die Sonne schien, und die Sträuche und Bäume blühten von jeder Seite. Ich pflückte mir einen Apfel.

Da hörte ich lautes Geschrei. Zwei blonde Mädchen kamen auf mich zu gerannt. Als sie näher kamen, bemerkte ich erst, wie blass und abgemagert sie waren. Sie sahen richtig krank aus. »Was ist mit euch passiert?« fragte ich.

»Wir wurden von diesem riesigen Loch geschluckt, und seitdem ist es so, als ob uns die Energie ausgesaugt wird!« sagte das erste Mädchen.

»Wir können uns kaum noch bewegen!« meinte die Andere.

»Wir müssen hier raus! Es muss da einen Weg geben!« schrie ich.

Auf einmal spürte ich, wie meine Kraft verschwand. »Oh nein! Wir müssen hier weg, bevor es zu spät ist!«

Dann sah ich mich um. In weiter Entfernung sah ich einen schwarzen Punkt. »Schaut!« rief ich. »Da ist etwas!«

Mit letzter Kraft schafften wir es dorthin. Es stellte sich heraus, dass der Punkt ein riesiges Tor war. Zwei riesige Steinlöwenfiguren standen vor dem Tor. In der Mitte war ein großer, roter Knopf. Ich drückte drauf.

Plötzlich erwachten die Steinfiguren zum Leben. Mir war Angst und Bange. Der eine Löwe sprang mir direkt ins Gesicht. Ich bekam keine Luft und hielt mir die Hände vors Gesicht.

Dann passierte etwas Unerklärliches: Ich konnte ihn mit meinen schwachen Händen wegschubsen. Der Löwe zerfiel in hundert Scherben.

Alle meine Knochen schmerzten. Wie hatte ich das bloß geschafft? Doch es blieb keine Zeit, um eine Antwort zu suchen. Der Zweite hatte nämlich die Mädchen in seiner Gewalt. Ich schlug wild auf ihn ein, und auch dieser zersprang in hundert Stücke.

Blut floss von meiner Stirn. Auch die Mädchen waren verletzt, jedoch erleichtert, weil es endlich vorbei war. Dann öffnete sich das Tor, und wieder zog mich eine magische Kraft in ein Loch. Als ich meine Augen wieder öffnete, saß ich vor dem Fernseher und schaute die tausendste Wiederholung von »Bodyguard«.