Irene Diwiak (9) 31.07.01

Hilfe, lauter Papas!

Hallo! Ich heiße Tessy und bin vor kurzer Zeit in die Schule gekommen. Na, das war was! "Liebling, hast du auch alles? Auch deine Schultasche und so?" Meine Mutter war total aus dem Häuschen. "Ja!" sagte ich, nahm die Schultasche auf den Rücken, damit ich sie ja nicht vergesse und stolzierte Richtung Schule. Dicht gefolgt von sämtlichen Onkeln, Tanten, Omas und Opas und schließlich auch von meinen Eltern. Als ich dann sehr aufgeregt die Klasse betrat, meine Schulkameraden und meine Lehrerin kennen lernte, dachte ich, es könnte nix mehr schief gehen. Die Familie war eh zu Hause. Oder? Plötzlich klopfte es an der Tür und ein großer blonder Mann kam herein. – Nicht irgendein Mann. Das war mein Onkel Max! Er schlich zu meinem Platz und flüsterte mir ins Ohr (um ja nicht den Unterricht zu stören): "Tessy-Mädchen, du hast deine Jause vergessen." – Schob mir eine Brezel zwischen die Finger und wollte wieder verschwinden, doch unsere Lehrerin hielt ihn auf: "Sind Sie der Vater?" – "Äh, .... ja!" sagte Onkel Max schnell. "Dann bleiben Sie noch ein bisschen und sehen Sie sich noch an, was Ihre Tochter hier so alles lernt!" forderte ihn die Lehrerin auf. Onkel Max stellte sich brav in eine Ecke und schaute mir zu, bis es wieder an der Tür klopfte und herein kam mein Opa Siegfried, der mir meinen Schweinchen-Glücksbringer nach brachte. Als er mir dann endlich den Glücksbringer gegeben hatte (- Opas sind nun mal nicht besonders schnell -) rief ein frecher Junge aus der dritten Reihe: "Sind Sie der Vater?" "Naja", sagte mein Opa, "kann man so sagen." "Ah" machte die Lehrerin verwundert: "Wollen sie auch zusehen?" Opa nickte und stellte sich zu Onkel Max. Als es zum dritten Mal klopfte, kann man sich denken, wer hereinkam: Das war mein wirklicher Papa. Kaum hatte er das Klassenzimmer betreten, brüllte gleich die ganze Klasse los: "Sind Sie der Vater?" "Ja!" sagte Papa. Was nun mit der Lehrerin passierte, kann man sich vorstellen: Sie fiel in Ohnmacht!

 

Die Tiervilla

Es war einmal eine alte Villa, die von außen zwar unheimlich und gespenstisch aussah, in Wirklichkeit aber ein recht hübscher Ort war. Wie alle alten Häuser hatte auch sie ihre Bewohner. Das waren allerdings nicht Mäuse und Ratten, sondern Tiere, deren Herrchen sie ausgesetzt hatten. Das Erdgeschoss behausten die Meerschweinchen, Hasen und Kaninchen, im ersten Stock waren die Katzen und Kater zu Hause, und den zweiten Stock besetzten die Hunde. Der Rest der Villa war schon zu verfallen und unbegehbar.

Doch da gab es noch ein großes Geheimnis. Und dieses Geheimnis war eine einfache alte Frau. In der ganzen Stadt nannten sie die alte Dame Madame Dämon. Die Leute, denen die Villa bekannt war, konnten sich diese nur als Geisterfrau vorstellen. Es gab nämlich die Legende, dass eine alte Frau sich um die ausgesetzten Tiere kümmere und alle, die diese Tiere ausgesetzt hatten, bestrafe. Damals glaubte niemand an die Geschichte. Doch nach und nach kamen Gerüchte auf, dass einer sie gesehen hätte und die Villa ihr gehöre, ein anderer meinte, dass die Dame in einer bescheidenen Hütte am Waldrand lebe. Eines kann ich euch gleich sagen:

Die Geschichte ist w a h r !

Ja, die alte Dame und die Tiere, die in der Villa lebten, existierten wirklich und dazu noch sehr gesund. Madame Dämon kümmerte sich echt supertuper gut um die Tierchen. Sie hatte sogar Könige aus manchen gemacht. Unter den Meerschweinchen, Hasen und Kaninchen hatte sie Jimi, das Meerschweinchen, ausgesucht. Oben, bei den Hunden, war die Entscheidung nicht schwer. Für die Alte kam nur Klavodog, der alte Spaniel, in Frage. Im ersten Stock bei den Katzen und Katern gab es ausnahmsweise eine Königin. Es war Lolo de la Pasta, die ohnehin schon adelig war. Diesen auserwählten Tieren gab die Dame als Zeichen ihrer Bedeutung einen funkelnden Edelstein. Dass sie die Leute bestrafte, die Tiere aussetzten, stimmte nicht. Madame Dämon kämpfte nur gegen diese Schweinerei. Doch auch wenn sie ein klein wenig zaubern konnte, reichte es nicht, um alle Menschen zu tierfreundlicheren zu verwandeln. Naja, jedenfalls war sie eine gute Mutter für die zum Teil noch sehr kleinen Tiere. Aber auch eine gute Lehrerin.

Einmal im Monat traf sie sich mit allen Tieren im eingemauerten Vorgarten. Jedes Tier wollte zuerst dort sein, um einen guten Platz zu kriegen. Obwohl die ersten drei Plätze für die Könige besetzt waren. Natürlich lernten die Tiere in dieser merkwürdigen Schule nicht lesen und schreiben. Sie lernten viel wichtigere Sachen. Zum Beispiel, wie man sie gegenseitig verständigte. Sonst wäre es doch unmöglich, dass sich ein Kaninchen mit einem Hund unterhält, oder? All dies, was ich dir gesagt habe, war für die anderen ein großes Geheimnis. Und vieles (z. B. wo Madame Dämon wirklich wohnte) würde auch für immer ein Geheimnis bleiben. Doch dass es die Dame und die Tiere wirklich gab und dass man von Madame Dämon sicher nie bestraft werden konnte und dass es echte Könige unter den vielen Tieren gab, bewiesen bald drei neugierige Kinder. Also, alles fing so an:

,,Na, Tochter? Was sollen wir heute, an deinem Geburtstag, machen?" fragte der Vater seine Tochter Damaris. ,,Ich möchte so gern zur Burg gehen", meinte Damaris verträumt.

,,O, ja! Wir auch!" riefen Chrissie (eigentlich Christine) und Michael. Der Vater wandte sich zur Mutter. ,,Elsa, was meinst du?" fragte er dann. ,,Also, mir würde ein Spaziergang zur Burg auch gut gefallen", meinte diese. ,,Juchhu!!!" riefen die Kinder voll Freude. Nun wurden die Gummistiefel und Wanderstöcke herausgeholt, und es ging los. Der Weg war ziemlich normal. Manchmal lagen dort Steine zum drauf hüpfen, dann ein Baumstamm zum drüber hüpfen und dann lange wieder nichts. Kein besonders aufregender Weg. Auch die Führung durch die Burg war nicht besser. In Damaris´ Kopf wimmelte es nur so von römischen Zahlen und Königen. Als diese Qual vollendet war, wollte die Familie sich wieder auf den Rückweg machen. ,,Nehmen wir den anderen Weg", meinte Damaris und zwinkerte Chrissie und Michael zu. Die zwinkerten zurück, hatten aber keine Ahnung, was das Mädchen vorhatte. ,,Na, gut", sagte die Mutter nach langer Schweigepause. ,,Ich kenne ein Kaffeehaus, das steht genau auf unserem Weg. Ich könnte ein Tässchen Kaffee gut vertragen." ,,Um so besser", murmelte Damaris.

Nun ging es auf einem noch faderen Weg weiter. Endlich ereichten sie ein kleines dunkles Haus, das sich ,,Strömman Kaffee" nannte. In genau dieses Haus zerrte die Mutter den Rest der Familie. ,,Kinder, wollt ihr ein Eis?" fragte der Vater, als er und die Mutter sich an einen der leeren Tische setzten. Chrissie hätte gerne ,,Ja!" gesagt, doch da hatte Damaris schon für alle mit ,,Nein, wir brauchen keins" geantwortet. ,,Wir wollen lieber nach draußen, zum Spielen", fügte Damaris etwas zögernd hinzu. ,,Von mir aus dürft ihr gehen", meinte die Mutter. ,,Aber geht bitte nicht zu nah an diese Villa. Wer weiß, was einem dort alles passieren kann?" ,,Eh nicht!" versicherte Michael, und schon waren die drei Geschwister verschwunden.

Als sie endlich an der frischen Luft waren, fing Damaris auch schon zu meckern an: ,,Geht nicht zu nah an diese Villa! Was sollte man hier denn sonst tun? Gar nichts!" ,,A-aber du hast doch nicht etwa vor, die Villa zu besichtigen, o-oder?" stotterte Chrissie. ,,Ich habe es schon vor", sagte Damaris bestimmt. ,,Und was ist mit dir Michael?" ,,Ich find die Idee gut", meinte Michael. Man muss wissen, dass die Villa genau neben dem Kaffeehaus stand. Also konnten sie ganz unbemerkt dorthin schleichen. Als die Geschwister vor den großen Toren der Villa standen, wurde ihnen etwas mulmig im Bauch. ,,Ich klopfe mal", flüsterte Damaris den anderen zu. Bloß konnte man nicht richtig klopfen. Der kleine Schupfer, den Damaris beim Klopfen nun mal brauchte, reichte. Das Tor sprang wie von selber auf. Die gesamten Meerschweinchen, Hasen und Kaninchen sahen die Eindringlinge mit ihren großen schwarzen Augen an. ,,Oh, wie süß!" rief Damaris und ließ sich in den großen Raum fallen. Langsam kamen Chrissie und Michael nach. ,,Stürmische Begrüßung", meinte Chrissie und Michael murmelte nur: ,,Typisch Damaris." Die beiden setzten sich auf die Stufe und schauten der übermütigen Damaris beim Herumtollen zu.

Doch plötzlich ging eine der Seitentüren auf, und eine Frau mit einem langen wallenden Kleid und fliegenden Harren trat herein. Man konnte ihr zwar ansehen, dass sie nicht mehr die Jüngste war, aber sie war trotzdem hübsch. Schnell sprang Damaris auf. ,,Sie sind Madame Dämon, oder?" fragte sie schüchtern. ,,Vielleicht nennt ihr mich so", meinte die Dame freundlich, ,,aber in Wirklichkeit heiße ich Monika." ,,Monika?" fragte Michael verwundert. ,,Das klingt doch ganz normal." ,,Ich bin ja auch ganz normal", sagte Monika. ,,Bloß habe ich mein ganzes Leben den armen Tieren gewidmet. Und wegen der bisschen Zauberkraft, die ich habe, bin ich doch auch nicht gleich ein Gespenst." ,,Und ich dachte...," lachte Chrissie und hatte Mühe, weiter zu sprechen, ,,Ich dachte, dass Sie etwas ganz Schlimmes sind und jeden Eindringling sofort verhexen und so." Ein tönendes Lachen kam auf.

Als sich die Vier erholt hatten, meinte Monika: ,,Jeder von euch darf sich ein Tier aussuchen. Von mir aus auch mehr, aber ich glaub nicht, dass es eure Eltern erfreuen würde, wenn ihr mit hunderttausend Tieren nach Hause kommen würdet." ,,Nein, drei werden ihnen schon reichen", sagte Damaris darauf. Für sie war es klar, wen sie nehmen würde: Jimi. Er hatte ihr von Anfang an gut gefallen. Die Geschwister gingen lieber noch ein bisschen weiter. ,,Ich nehme nicht den Erstbesten, wie Damaris", meinte Michael, und Chrissie stimmte zu. Doch im ersten Stock hatte sie sich schon in ein Tier verliebt. Lolo de la Pasta war einfach zu schön. ,,Mädchen!" stöhnte Michael, als er gerade auf dem Weg in den zweiten Stock war. Und da hatte auch er seinen Liebling. Mit Klavodog an der Leine marschierte er zu den anderen hinunter. Jimi und Lolo de la Pasta hatte Monika den Diamanten schon entfernt. ,,Sie sind sehr wertvoll und ich will nicht, dass ihr sie verliert", sagte sie. Überglücklich verließen die Geschwister die Villa. In der ganzen Stadt erzählten sie ihre Geschichte herum.

So bewiesen diese ganz normalen Kinder, dass diese Legende nicht nur eine Legende war. Auch all die anderen Tiere bekamen bald Herrchen oder Frauchen. Seit dem Tag (als die Menschen die eigenartige Geschichte zum ersten mal hörten) setzte keiner, der in der Stadt lebte oder gelebt hatte, je mehr ein Tier vor die Tür.

Ich hoffe du auch nicht!