Karlheinz Breinhälter (12)

 

Spiegelstraße

Spiegel sah ich nirgendwo,
drum wollt ich gehen und war nicht froh.

Doch als ich gehen wollte, bitter,
sah ich die Fenster voller Gitter.

Die Fenster waren gar nicht groß,
so ähnlich wie ein Teller bloß.

Auf den Dächern fehlten Schindeln,
und den Babys gar die Windeln.

Als ich dann einen Spiegel sah,
denn solche waren hier wirklich war,
brach ich in Tränen aus vor Glück,
und ging zum Treffpunkt stolz zurück.

 

Alles begann, als ich mich zum Frühstück setzte. Ich hatte Polsterabdrücke im Gesicht und befand mich noch im Halbschlaf. Aber das Schlimmste war, das einzige vorhandene Getränk war Apfelsaft! Ich konnte Apfelsaft absolut nicht ausstehen. Das geht nämlich auf ein Erlebnis zurück, das ich jetzt eher nicht erwähnen möchte.

Bis zum Mittagessen verlief der Tag dann ziemlich ruhig. Abgesehen davon, dass es wieder Apfelsaft zu trinken gab, war die Suppe, die wir aßen, scheußlich, und die Marillenknödel waren auch nicht viel besser. Aber das Beste kommt noch. Denn als ich auf dem Weg zu dem einzigen Menschen, der mich jetzt noch aufheitern konnte (sprich: meiner Freundin), war, sah ich diese auf der Couch liegend mit irgendeinem Typ, den ich zuvor noch nie gesehen hatte, flirten!

Ich war einem Nervenzusammenbruch nahe, und da ich sowieso schon meine Jacke anhatte, beschloss ich, schnurstracks zu meinem Lieblingswäldchen zu gehen.

Da ich nach diesen Ereignissen erkannt hatte, dass das nicht mein Glückstag war, beschloss ich, das Schicksal nicht noch herauszufordern, und kletterte nicht, wie üblich, auf einen Ast. Hier unter den Bäumen war der einzige Platz, an dem ich mich jetzt entspannen konnte. Nachdem ich mir wieder, so gut es ging, erholt hatte, war mir sogar dieser verflixte Apfelsaft zum Abendessen schnurz piep egal.

 

Vollmond

Vollmond. Heute würde es wieder geschehen. Er würde auf Jagd gehen. Und nur sie wusste es. Keiner glaubte ihr. Aber sie hatte ihn gesehen.

»Wir müssen dieses Etwas kriegen!« Nervös klopfte der Polizeichef mit seinem Füller auf den Schreibtisch »Man kann doch nicht einfach tatenlos zusehen, wie in jeder Vollmondnacht Menschen sterben!«

Der junge Polizist Michael O’Conner wusste nicht, wie er es sagen sollte: »Meine Leute können nichts unternehmen, solange sie nicht wissen, womit sie es zu tun haben.«

Es handelt sich wirklich um einen seltsamen Fall. Jedes Mal bei Vollmond streunte etwas im Wald umher und tötete Menschen. Bis jetzt war nur ein Opfer mit dem Leben davongekommen. Sarah White. Sie hatte als einzige dieses Wesen gesehen. Jeder hielt sie für verrückt, denn sie stotterte immer etwas von Werwolf, Silberkugel und so ein Zeug.

Schließlich beschloss Michael O’Conner, sich an Sarah zu wenden, und so diesen Werwolf zu töten.

Als der Polizist in dieser Vollmondnacht zum Waldrand fuhr, lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken. Er stieg aus dem Wagen, entsicherte seine Pumpgun und marschierte auf die Stelle zu, wo die letzte Leiche gefunden wurde.

Hinter ihm knackste ein Ast. Ein lautes Schnaufen wurde hörbar. Den Finger am Abzug und bereit, auf alles zu schließen, drehte er sich mit einem Ruck um, doch er wurde hart zu Boden geschleudert.

Jetzt spürte er, wie sich Krallen in seine Brust bohrten. Verzweifelt feuerte einen Schuss aus seiner Pumpgun ab. Michael traf die Bestie vermutlich genau, denn die Krallen rissen aus dem Fleisch, und er vernahm ein schwaches Stöhnen.

Er konnte etwas großes Behaartes, das einem Hund glich, erkennen. Es richtete sich ächzend wieder auf und wollte erneut auf den Verwundeten losgehen. Plötzlich ein Schuss, ein Aufheulen, dann war es still.

Sarah erschien auf der kleinen Lichtung. Sie hatte den Werwolf mit einer Silberkugel, dem einzigen Mittel gegen Werwölfe, erledigt. Nun rannte sie zu Michael. Aus seiner Wunde quoll das Blut nur so heraus. Es war zu spät für ihn. Er starb noch mitten im Wald.

 

Ausgekocht

In frühen Zeiten, ja, da war das Leben nicht einfach. Hinter jedem Busch hätte jemand sitzen können, der nur darauf wartete, dir das Leben zu nehmen, oder, noch viel schlimmer, dir dein Geld zu stehlen. Aber auch für Diebe war es nicht einfach. Natürlich hätten sie, wie jeder andere ehrliche Bürger, arbeiten können, aber gute Arbeit zu finden war schwer, und wenn man ausgekocht genug war, konnte man von der Räuberei nicht schlecht leben. Andererseits waren einem dann immer die Hüter des Gesetzes auf den Fersen. Wie schon gesagt, man musste ein ganz schönes Schlitzohr sein. Ein richtiger Räuber konnte Hinterhalte planen, brauchte ein gutes Versteck, und das Wichtigste: immer einen Plan auf Lager haben. Wenn man aber geschnappt wurde, drohte einem das Gefängnis. Wie ein weiser Mensch zurecht einmal sagte: Das Leben ist hart, aber ungerecht.

Die Mauern von GG D 22

Ein Mann kämpfte sich durch das Gestrüpp eines kleinen unscheinbaren Wäldchens, als hinter ihm Sirenengeheule und Hundegebell ertönte. Der Flüchtende, er hieß James Brown, geriet in Panik. Er versuchte verzweifelt, tiefer in das Wäldchen zu gelangen, doch es war zwecklos. Er konnte nicht weiter in das Dickicht eindringen. Das Hundegebell kam immer näher, und der Schein von Taschenlampen zuckte am Nachthimmel hin und her.

Sie hatten ihn geschnappt. Nun saß James wieder in seiner vertrauten Zelle in GG D 22. Zum dritten mal war ihm seine Flucht schon missglückt. Es war unmöglich, diesen Mauern zu entrinnen, und außerdem wurde er nach jedem Fluchtversuch noch strenger überwacht.

Er hatte schon keine Hoffnung mehr zu entkommen, als eines Tages zwei der gefährlichsten Mörder ausbrachen. Mehr als die Hälfte der Wärter musste deshalb ausrücken. Da erkannte James Brown seine Chance. Nur jetzt bestand die Möglichkeit, die Wachleute, die noch nicht auf der Suche nach den Schwerverbrechern waren, zu überwältigen. Er suchte sich zwei andere Sträflinge, die auch vorhatten auszubrechen, und begann seine schwierige Mission.

Zuerst schalteten sie die Wächter vor ihren Zellen aus. Sie zogen sich deren Uniformen an, um nicht erkannt zu werden, und verließen auf einem ziemlich verlassenen Gang das Gefängnis. Draußen wimmelte es nur so von Polizisten und Suchhunden. So schnell es ging, verschwanden sie aus dem abgesicherten Gefängnis.