Kathrin Wolf (11) 13. Preis

Eine Reise ins Schloss der Zeit

»Aufwachen, Lisa!« Meine Mutter schüttelte mich grob aus dem Schlaf und öffnete das Fenster. »Der Traum!« schrie ich.

»Was?« Meine Mutter sah mich erstaunt an.

»Ach nichts«, murmelte ich. »Ist nicht so wichtig.« Kopfschüttelnd ging meine Mutter aus dem Zimmer.

Ich setzte mich auf und sah aus dem Fenster. Was hatte ich soeben gesagt? Ist nicht so wichtig? Natürlich war es wichtig! Ich wusste, dass es wichtig war. Jemand hatte es mir in meinem Traum gesagt. Doch wer hatte es mir gesagt?

Nachdem ich gefrühstückt hatte, zog ich mich an, packte meine Schultasche und lief zur Tür hinaus.

Ich fuhr eine halbe Stunde mit dem Fahrrad zum Bahnhof und setzte mich dann, wie jeden Tag, in den Warteraum. Nach einer Welle piepste es dreimal.

»Der Zug nach Krelich verspätet sich um 15 Minuten«, tönte es danach aus dem Lautsprecher über mir. »Na prima«, dachte ich. »Jetzt teilen sie sicher gleich Entschuldigungszettel für die Schule aus.« Mein Verdacht bestätigte sich. Verärgert starrte ich auf die Bahnhofsuhr, bis die Zahlen verschwammen. Plötzlich fiel es mir wieder ein. Ich wusste, wer es mir gesagt hatte und was er mir gesagt hatte.

Nach der Schule stürmte ich sofort in mein Zimmer. Wo war er? Ich suchte in meiner Spielzeugkiste, unter meinem Bett, in der Lade ... Ich konnte ihn nicht finden. Enttäuscht ging ich in die Küche.

Meine Mutter wärmte gerade meine Suppe in der Mikrowelle auf. »Mama, wo ist der kleine Teddybär, den du mir zu meinem neunten Geburtstag geschenkt hast? Ich wollte damals die Uhrzeit damit lernen.«

Meine Mutter deutete nach oben. Hastig kletterte ich die schmale Leiter hoch, die auf den Dachboden führte. Ich durchsuchte fünf Schachteln, bis ich ihn endlich fand. Er war ganz verstaubt und gar nicht mehr so schön. Ich betrachtete das Zifferblatt aus Filz auf seinem Bauch.

»Wir brauchen deine Hilfe! – Die Uhren im Schloss der Zeit!«

Das hatte er gesagt, dann hatte mich meine Mutter aufgeweckt. Aber was hatte das zu bedeuten? Ich blickte dem Kuscheltier in die Augen. Die Plastikpupillen erschienen mir immer größer, verschwammen, verwandelten sich in Zeiger ... »Huch!« Plötzlich kniete ich nicht mehr auf den staubigen Brettern am Dachboden. Ich saß in einem Sessel, der war so groß und weich, wie ich noch keinen gesehen hatte.

»Hallo Lisa!«

Erschrocken drehte ich mich um. »Mein kleiner Zahlen-Teddybär!« rief ich.

»Mein Name ist Uhrli, so hast du mich einmal getauft.«

»Du kannst sprechen?« Verwundert starrte ich ihn an.

»Natürlich!«

Erst jetzt bemerkte ich die vielen anderen Kuscheltiere, die um den Sessel saßen. Ich rieb mir die Augen. Das konnte nicht Wirklichkeit sein! Ich war mir sicher, dass ich alles nur träumte. Aber es war die Wirklichkeit. Die Kleinen Tiere überschütteten mich mit Blütenblättern. Langsam begann Uhrli zu sprechen: »Also, es ist so. Ich habe dich mitgenommen, um dich etwas zu fragen. Ich habe meinen Freunden oft erzählt, wie nett du zu mir bist. Meine Freunde werden von ihren Besitzern immer nur in Ecken geschleudert oder in Laden gesteckt. Ich muss zugeben, das mit dem Dachboden war auch nicht so nett, aber .... Dann bekamen wir dieses Problem. Könntest du uns helfen, die Uhren im Schloss der Zeit richtigzustellen und den König zu befreien? Komm mit!«

Uhrli zog mich an der Hand hinaus ins Freie. Ich sah wunderschöne Blumenwiesen und grüne Wälder. Ich wollte wieder zurück zu den anderen gehen, doch Uhrli hielt mich fest. Plötzlich veränderte sich das ganze Land. Heftiger Wind blies die immer brauner werdenden Blätter durch die Luft, und es wurde immer kälter. Ich fröstelte. Einige Sekunden später begann es zu schneien. »Also ... hilfst du uns?« Fragend sah Uhrli mir ins Gesicht.

»Ja, wenn du mich so darum bittest«, antwortete ich.

Uhril rief die anderen Kuscheltiere. Fröhlich liefen sie vor uns her. Auf dem Weg in das unbekannte Land erzählte mir mein kleiner Teddybär die ganze Geschichte. Ein unbekannter Zauberer hatte den König gestürzt und die Uhren im Schloss ausser Kontrolle gebracht. So hat er den ständigen Jahreszeitenwechsel verursacht. Gleich nach der Grenze veränderte sich das Land. Noch immer wechselten Frühling, Sommer, Herbst und Winter in rasender Schnelle.

»Wir sind da!« Uhrli deutete auf das mächtige Schloss, das sich vor uns erhob. »Meine Freunde werden hier auf uns warten.«

Wir betraten das Schloss, und ich sah mich verwundert um. Alle Wände waren mit den verschiedensten Uhren behängt. »Wow!« rief ich. Ich machte meinen Begleiter auf den kostbaren Thron am Ende des Saales aufmerksam.

»Nicht! Wenn du ihn ansiehst, wird er böse!«

»Der Thron?« fragte ich.

»Nein, der Zauberer!«

Im selben Moment sah ich ein kleines Männchen, das vom Thron hüpfte. »Was fällt euch ein, mein Schloss zu betreten!« japste es.

»Dein Schloss?« fragte ich leise, sodass er es nicht hörte.

»Lenke ihn ab, dann kann ich die großen Räder der Zeit richtig einstellen!« schrie Uhrli mir zu, dann lief er in einen Nebenraum des Schlosses. Was konnte nur so schwer daran sein, das kleine Würmchen abzulenken? Ich packte den kleinen Zwerg und warf ihn zum Tor hinaus. Uhrlis Freunde trieben ihn zurück in sein altes hässliches Schloss.

Ich lief schnell zu Uhrli, der keuchend an den schweren Rädern drehte. Ich half ihm und drehte alle nach links. Uhrli vertraute mir und glaubte, ich würde mich mit den Zeiträdern gut auskennen. Ich hoffte, dass ich alle Uhren richtiggestellt hatte.

Gemeinsam befreiten wir dann den echten König von seinen Fesseln. Er bedankte sich herzlich für alles. Vor dem Schloss verabschiedeten wir uns von den Kuscheltieren. Uhrli klatschte dreimal in die Hände und brachte mich So nach Hause zurück.

In Uhrlis Land hatten wir das Problem mit den Jahreszeiten gelöst. Dies wunderte mich sehr, denn natürlich hatte ich keine Ahnung von den Zeiträdern gehabt.

Jetzt sitze ich im Garten, schlürfe Zitronenlimonade, lese ein Buch und wundere mich, dass am 5. Februar noch kein Flöckchen Schnee gefallen ist und das Thermometer 32 Grad anzeigt!