Iris Vukovics (11)

Dosenfutter gefragt

Hallo, mein Name ist Nicht-nein-aus-platz. Ich wohne im dritten Stock eines großen Hauses in Wien. Meine Familie besteht aus einer alten Dame die mich immer krault und mir in Kaffee getauchte Kekse zuschiebt. Sie wird von allen nur »Nanny« genannt. Dann gibt es einen bärtigen, großherzigen Mann der immer zu Hause ist und unseren Dreck wegputzt. Er heißt »Papa« oder »Schatz«, so nennt ihn aber nur unser Hausdrachen. Unser Hausdrachen kommt gegen Abend nach Hause und blättert in der Zeitung. Dann lässt er sich von seinem »Schatz« das Essen bringen. Von den anderen Mitbewohnern wird er oder besser gesagt sie »Mama« genannt. Wenn ich belle sagt sie: »Böser Hund! Nicht-nein-aus-platz!« Dann bin ich leise, denn Mama kann schon mal die Hand ausrutschen.

In meiner Familie gibt es natürlich auch Welpen. Nein, nicht meine, Mamas. Der jüngste Welpe trinkt sogar noch aus der künstlichen Zitze. Er gurgelt und plappert vor sich hin und das die ganze Zeit. Er heißt »Baby«. Dann ist da noch ein Welpe der bereits die Schule besucht. Er kommt immer nachmittags heim und flüstert mir ins Ohr was für eine bildhübsche Dackeldame ich bin. Den kann ich gut leiden. Er heißt »Wie-war’s-denn-heute-in-der-Schule«. Das ist meine Familie. Ich hoffe ihr kennt euch jetzt aus.

Mmmh, da riecht’s nach Essen. Der köstliche Duft führt mich vor die Haustüre. Draußen geht jemand vorbei mit »Bellos-bestes-Dosenfutter-Dosen« Wenn ich die bekommen könnte dann ... Bei mir gibt’s immer nur Trockenfutter. Wenn man das isst, wird einem direkt schlecht, und dein Hals wird auch trocken. Aber bei Dosenfutter ... Ich kann mir vorstellen, wie dem Hund aus der Werbung das Futter auf der Zunge zergeht ...

Ich versuche, so hoch zu springen, dass ich die Türklinke erreichen kann. Beim dritten Satz gelingt es mir. Schwanzwedelnd laufe ich Frau Meier von nebenan nach. Sie hat wahrhaftig eine solche Dose in der Einkaufstasche. Wohin läuft sie? Sie soll mir gefälligst das Dosenfutter geben!

Als wir auf der Straße sind, bemerke ich, dass es nicht für mich ist. Stolpere, stolpere, stolpere, beschwöre ich sie. Aber sie will und will nicht hinfallen. Beleidigt trotte ich nach Hause zurück. Gerade kommt Papa die Treppen heruntergelaufen und ruft erfreut, als er mich sieht: »Da bist du ja!« Ja, da bin ich. Müde und vor allem hungrig.

»Jetzt bekommst du etwas Besonderes zu fressen.« Oh, er meint doch nicht ... Oder doch ... Neugierig laufe ich ihm nach. Er füllt meinen Hundenapf und stellt ihn mir vor die Nase. Es ist ... das neue Trockenfutter mit Wurst-Karotten-Gummibärchen-Ketchup-Hustensaft-Geschmack. Na guten Appetit!

Ich versuche, das Futter hinunterzuschlingen. Nach einer halben Stunde habe ich alles hinuntergewürgt. Kotz-Schluck! So was soll schmecken? Dann sehe ich die Zeitung von heute morgen. Schönheitswettbewerb für Hunde! Haben Sie einen Hund, der reinrassig und einmalig schön ist? Vom Chihuahua bis zur Dogge – jeder kann mitmachen. Sowohl Mensch als auch Hund erwarten tolle Preise.

Na wunderbar! Dafür bin ich gerade geschaffen. Mit der Zeitung im Maul laufe ich zu Papa, der gerade die Körbchen meiner Familie macht. Ich deute mit der Schnauze auf den Artikel. Papa liest ihn durch.

»Ja, meine Liebe«, sagt er dann. »Ich weiß, dass du mitmachen willst, aber ich muss das erst mit meiner Frau besprechen.« Das kenne ich. Die altbewährte Ausrede. Mürrisch klettere ich in mein Körbchen.

Am Abend kommt Mama heim. Ich möchte, dass sie gut gelaunt ist und springe hechelnd an ihr hoch.

»Nicht-nein-aus-Platz!« ruft sie und verpasst mir einen Klaps. Blöde Kuh! Alte Schreckschraube! Sowas von unfair!

Beim Abendbrot bekomme ich von Nanny zum Trost ein durchgeweichtes Keks. Dann fängt Papa an zu reden.

»Schatz, ich denke, unser Hund sollte an diesem Hundewettbewerb teilnehmen. Angeblich gibt es tolle Preise.« Mama antwortet nicht. Sie blättert in der Modezeitschrift, die sie sich am Heimweg gekauft hat. Baby schreit. Papa nimmt es auf den Arm. Nur Wie-war’s-denn-heut-in-der-Schule verhält sich normal. Er schlabbert die Suppe fein mit der Zunge, so wie es sich gehört. Plötzlich sagt Mama: »Vielleicht hast du recht, Schatz, wir sollten wirklich teilnehmen!« Juhu! Freudig bellend laufe ich um den Tisch. Ich werde auf den Platz verwiesen. Doch das ist mir egal. Ich nehme teil! Der Preis ist bestimmt Dosenfutter! So war es das letzte Mal auch. Mir läuft schon jetzt das Wasser im Mund zusammen.

Am nächsten Morgen bürstet Papa mich lang und ausgiebig. Ich kann kaum erwarten bis es losgeht. Papa hebt mich in einen Korb, und wir steigen ins Auto. Mama tritt aufs Gaspedal. Nach kurzer Zeit bremst sie ab. Wir steigen aus und gehen in eine große Halle. Für mich ist das nichts neues. Ich habe sogar schon mal gewonnen.

Wir stellen uns in einer langen Schlange an und warten bis wir dran sind. Wir bekommen Startnummer 137. Na danke schön. Das kann ja ewig dauern. Wir machen uns bereit und beobachten derweil meine Konkurrenten. Besonders angst macht mir ein Königspudel. Er stolziert auf die Richter zu, als wäre er ein Balletttänzer. Ich merke, dass schon Nummer 130 an der Reihe ist und sehe nach, ob auch alles an mir glänzt. Geduldig, doch voller Erwartung lausche ich, bis endlich durch den Lautsprecher verkündet wird, dass ich an der Reihe bin.

Ich werde von Mama zu den Richtern geführt. Sie wiegen und messen mich ab und betasten mich. Dann sind sie fertig und geben mir sehr gute Noten. Ich bin zufrieden. Jetzt sind noch genau 26 Teilnehmer an der Reihe, und dann bekomme ich meinen Preis. Ich gewinne bestimmt.

Und wirklich – ich werde als offizielle Siegerin anerkannt. Beim Vorbeigehen zeige ich dem Pudel die Zunge. Gleich kriege ich Dosenfutter. Der Richter überreicht uns feierlich ein paar Scheine und einen Gutschein für ... ein Jahr gratis Trockenfutter. Ich ziehe den Schwanz ein und trotte niedergeschlagen zum Auto. Da kommt mir eine Idee. Ich zerreiße den blöden Gutschein in winzige Fetzen. Daheim bekomme ich Schimpfer und werde in mein Körbchen verbannt. Ihnen kann es doch egal sein, was ich fresse!

Am Abend werde ich von Papa zum Nachtmahl gerufen. Obwohl ich keinen Hunger habe, erbarme ich mich und sehe in meine Futterschüssel. Ich traue meinen Augen nicht: Es ist Dosenfutter! Ich lasse es mir auf der Zunge zergehen. Papa sagt: »Tut mir leid, aber die Preise für das Trockenfutter sind gestiegen. Ab jetzt bekommst du nur noch Dosenfutter.«

Jippieh! So froh war ich noch nie. Schmatz! Mampf! Dann Tschüß! Schmatz! Bis zum nächsten Mal. Ich wünsch euch noch einen schönen Tag und viel Dosenfutter! Wuff!