Pauline Vörös (11)

Die kleine Hexe

Traurig saß die kleine Hexe in ihrer Hütte auf dem Tummelberg. Aber von wegen, hier würden sich viele Leute tummeln; sie war ganz allein dort. Die großen Hexen würden gerade in der Hexenversammlung sitzen und sich den Bauch vollschlagen, auf Kosten der Oberhexe. Der kleinen Hexe wurde es verboten, sich dort aufzuhalten. Die Oberhexe sagte immer: »Du bist zu klein, und außerdem gehen dich unsere Geschäfte nichts an.«

Erstens: Sie war schon 305 Jahre alt und zweitens: Welche Geschäfte meinten sie? Sie wollte es herausfinden, und verfolgte eine der Hexen, und versteckte sich dann hinter einem Gebüsch. Da sah sie eine Frau, die gerade in einen Elefanten verwandelt wurde. Die kleine Hexe erschrak sehr, denn die Oberhexe aß sie auf. »Die arme Elefantin!« dachte sie.

Bevor sich die Oberhexe die nächste Frau vornahm, griff die kleine Hexe ein und stellte sich zwischen sie. Die Oberhexe begann zu lachen: »Du? Was willst du denn hier? Du bist viel zu klein, und zaubern kannst du auch nicht. Und wie hässlich normal siehst du aus.«

Da rannte die kleine Hexe weg, drei Hexen hinterher. Doch mit ihren winzigen Miniröcken fielen sie immer wieder hin. Doch die kleine Hexe konnte unbeschwert laufen.

Als sie am Tummelberg angekommen war, drängten sich viele Hexen vor ihrer Tür. Sie fragte sich, was das wohl sollte, aber um nachzufragen, hatte sie keine Zeit, denn alle stürmten auf sie zu.

Eine der Hexen sagte: »Kommst du morgen zur Oberhexenwahl?«

Die kleine Hexe verstand gar nichts mehr. Wieso sollten sie eine neue Oberhexe wählen? Und seit wann sollten sie, die winzige Hexe, die die Geschäfte der Großen nichts angingen, zu einer Oberhexenwahl eingeladen werden?

Wie gesagt, sie verstand gar nichts mehr. Da erklärte Ramina, eine der kleinen Hexen, was geschehen war: »Nachdem du weggerannt bist, kam die Chefin aller Oberhexen. Diese regte sich erst einmal über die dummen Kleider auf und verwandelte die Oberhexe mit einem nicht rückgängig zu machenden Hexspruch in einen Elefanten und ließ sie 50 Meter tief in die Schlucht fallen. Als sie unten angekommen war, war sie so platt wie eine Briefmarke. Nachdem wir eine tolle Party gefeiert hatten, beschlossen wir, eine neue Oberhexe zu wählen.«

Langsam ging der kleinen Hexe ein Licht auf. »Aber wieso ladet ihr MICH ein?«

Ramina sah sie böse an: »Weil die Chefin sagte, dass es jemand werden sollte, der ganz normal aussieht, und nur 305 Jahre alt ist. Sofort wussten wir, dass sie dich meinte.«

Die kleine Hexe wurde purpurrot im Gesicht.

In der Versammlung wurde sie von der Chefin geehrt und bekam einen Anstecker, mit einem riesigen Diamanten darauf, verliehen. Das war wohl der schönste Augenblick in ihrem Leben. Sie schaffte die dummen Sitten ab, die ihre Vorgängerin bestimmt hatte. Alle, sogar Babyhexen durften an den Versammlungen teilnehmen.

Ein Jahr später tummelten sich wieder Hexen vor der Wohnung. Es war der 31. 12., der Geburtstag der kleinen Hexe. Sie bekam ein wundervolles Geburtstagsgeschenk:

Sie durfte sich einen Namen für den jetzt abgetrampelten Berg, der schon ein Platz geworden war, aussuchen. Sogar die Menschen waren damit einverstanden. Von nun an hieß der Platz:

TUMMELPLATZ.