Cordula Simon (13) 14. Preis

Zeit

Minuten sind wie Domino-Steine: Eine nach der anderen. Stunden kann man eher mit Pokerkarten vergleichen: Es gibt gute und schlechte, aber einzeln allein sind sie unnütz. Sekunden ähneln den Computerspielen ab Level 9: Sie sind schnell vorbei. Das habe ich an einem Mittwoch in aller Frühe gemerkt: 7:00. Ich wälze mich viel zu spät aus dem Bett. Ein Blick auf die Uhr zeigt mir, dass wohl Sonntag sein muss, weil ich ansonsten schon längst aufgewacht wäre, obwohl wir erst gestern auf Winterzeit umgestellt haben. Oh nein! Ich fahre geschockt hoch und falle sofort wieder zurück: Mein armer Kopf, diese blöde Schrägwand.

Ich krame im Medizinschrank herum. Noch schnell ein Aspirin, und dann nichts wie in die Schule. Wer über die längst startfertige kleine Schwester stolpert, der größeren hineinrennt, und es schafft, von beiden Elternteilen den Kaffee zu verschütten, und das innerhalb von fünf Sekunden, merkt natürlich auch nicht, dass er statt Aspirin Schlaftabletten erwischt hat.

Als ich dann mit 20 Minuten Verspätung in der Physik-Stunde eintraf, konnte ich den Kopf vor lauter Müdigkeit kaum noch oben halten, somit knallte ich mit dem Schädel immer wieder auf den Tisch, wovon das Kopfweh auch nicht besser werden konnte.

In der Geschichte-Stunde fühlte sich mein Kopf eher so an, als ob im Inneren ein riesiges Vakuum wäre, das die Schädeldecke nach innen drücken will. Vom Unterricht habe ich natürlich nichts mitbekommen; was sich bei diesem Pokerblatt als unangenehmste Karte herausstellte, war die Mathematik-Stunde, genauer: die Mathematik-Schularbeit.

Entsetzen machte sich in mir breit. Mathe-Genie war ich sowieso keines, aber ich hatte nichts gelernt, meine Augenlider fühlten sich an wie Blei, meine Hände wie Radiergummis, oh das ist ein Radiergummi. Jedenfalls hatte ich von Mathe soviel Ahnung, wie davon, wie man Vorverdautes aus einem Orient Teppich kriegt. Sekunde für Sekunde sah ich es vor mir: Game over! Game over! Game over! Aber Übermorgen ist Feiertag, also werde ich es überleben.

Der nächste Tag war viel besser: Meinem Kopf ging es wider gut. Die Kaffeetassen meiner Eltern blieben diesmal stehen, und heute hat einmal meine große Schwester verschlafen. Das nenne ich Abwechslung. Außerdem wird die Mathematik-Schularbeit wiederholt, weil ich nicht die einzige bin, die gepatzt hat.

Am Nachmittag beschäftigte ich mich damit, auf der faulen Haut zu liegen, denn ich hatte ja so viel Zeit und die Schularbeit wird schließlich erst nächste Woche wiederholt.

Nächste Woche?! Schon?!!

Aaaaaaaaahhhhhhhhhhhhhhh!!!!!!!!!!!!!!!!!!!


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