Christiane Scherch (12)

Die Monster aus der Frauengasse

Die Frauengasse heißt heute Frauengasse, weil sich vor endlos langer Zeit Folgendes zugetragen hat:

In dieser Gasse lebten nur weibliche Geschöpfe. Selbst männliche Tiere wurden nicht geduldet. Die Frauen, die dort wohnten, waren so aufgedonnert, dass niemand etwas mit ihnen zu tun haben wollte. Sie hatten so unheimlich viel Lidschatten auf den Augenlidern, dass man schon dachte, beide Augen wären zusammengewachsen. Und ihr Make-up war so dick aufgetragen, dass man nicht erkennen konnte, ob sie den Kopf in eine volle Kloschüssel gesteckt hatten. Außerdem waren ihre Münder mit viel zu viel Lippenstift umrandet. Die Frauen stanken nach Haarspray und Tönung, so sehr, dass sie, anstatt sich die Haare zu waschen, nur Parfum darüber spritzten. Um es so zu sehen, waren es solche Monster, dass man sie nicht einmal für die hässlichsten Schaufensterpuppen des gesamten Universums halten konnte.

Die Frauen herrschten in diesem Teil der Stadt, und nicht einmal ein männlicher Floh wurde dort erlaubt.

Bald schon aber reichte es den Bewohnern der Stadt. Denn die Monsterfrauen wurden immer frecher. Allen weiblichen Wesen, die ungeschminkt waren, spuckten sie ins Gesicht. Und nach den männlichen Geschöpfen warfen sie Messer. Sie waren drauf und dran, die Männer der Welt auszurotten. Schließlich aber rafften sich alle Bürger zusammen und planten etwas.

In einer schauderlichen Nacht schlichen sie in die Frauengasse. Dort stahlen sie den Schminkkram der Monsterfrauen im Wert von 13 Millionen Schilling.

Am nächsten Tag gab es solch ein schreckliches Spektakel, dass man es sicher sogar in Australien hören konnte. Jede beschuldigte jede. Als die erste Monsterfrau zu Boden fiel, ermordeten sich die nächsten gegenseitig, und schließlich waren allesamt gestorben. Ihre Seelen wurden allerdings vom Teufel geholt, und in der Hölle durften sie dann ihr ganzes Seelenleben lang Lippenstifte aus heißem Magma herstellen.