Stefan Reibenbacher (9)

Die Entführung

Frau Berta Kunn war ganz verzweifelt, ihr Sohn ist gestern Abend entführt worden. Jetzt konnte sie nicht einmal mehr eine Minute still sitzen, denn sie musste immer an ihr Kind denken.

Am Donnerstag dann schrillte das Telefon in ihrem Büro. Sie hob ab und sagte: »Grazer Wechselseitige, Kunn. Hallo!«

Am anderen Ende rührte sich rechts. »Hallo, Hallo!« rief Frau Kunn immer wieder in den Hörer, aber bevor sie auflegte, sagte eine tiefe Männerstimme: »100.000 Schilling Lösegeld für ihren Sohn, oder ich bringe ihn um!«

Berta Kunn ließ den Hörer los und wurde bewusstlos. Die Rettung wurde sofort von einem Mitarbeiter gerufen, und sie wurde ins LKH Graz eingeliefert.

Im Krankenhaus teilten ihr die Ärzte mit, dass sie einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte. Sonst verlief dort alles ohne Probleme.

Frau Kunn wurde am nächsten Tag wieder entlassen. Sie hatte jetzt eine Woche frei, wegen dem Schock. Daheim läutete das Telefon. Sie hob ab und sprach: »Hallo, Kunn. Wer spricht?«

Die Männerstimme hatte wieder angerufen. Sie sagte: »Morgen Früh um acht im Stadtpark, bei der großen Eiche, mit dem Geld – und keine faulen Tricks, zum Beispiel: Polizei.« Dann wurde aufgelegt.

Berta reichte es jetzt. Sie legte den Hörer auf die Seite, dass sie ja niemand mehr anrufen konnte. Sie zog alle Vorhänge zu und holte hinter einem Leonardo da Vinci einen Tresor hervor. Berta gab die Zahlenkombination ein, und der Tresor öffnete sich. Sie nahm 100.000 Schilling heraus und versteckte das Geld unter ihrem Kopfkissen. Den Rest gab sie wieder in den Tresor und schloss ihn. Sie gab ihn wieder in das Loch hinter dem Bild.

Die ganze Nacht lang konnte die arme Frau kein Auge zudrücken. Endlich ist es Morgen, dachte Berta und stand auf. Sie ging ins Badezimmer, wusch und schminkte sich. Danach holte sie das Geld unter ihrem Kopfkissen hervor. Mit dem Geld in der Hand ging sie nun zum Telefon und wählte: 133. Sie sagte: »Guten Tag, hier spricht Berta Kunn, ich bin die Mutter deren Sohn gekidnappt wurde. Der Entführer hat mich angerufen und hat gesagt: Um acht Uhr bei der großen Eiche im Stadtpark, mit 100.000 Schilling Lösegeld für meinen Sohn. Können Sie mir helfen? Ich habe sogar schon einen Plan: Sie kommen mit ein paar Streifenwagen um acht Uhr fünf und umzingeln den Park, dass der Mann nicht entkommt – und versteckt euch gut.«

Der Polizist versprach, mit einigen Leuten zu kommen, und legte dann auf.

Berta ging aus dem Haus und startete das Auto. Im Park angekommen, sah sie schon von weiten einen stärkeren Mann mit ihrem Kind bei der großen Eiche warten. Sie stieg aus dem Auto und rannte zu ihrem Kind. Dort verlangte der Mann sofort das Geld. Die Frau zögerte am Anfang ein bisschen, denn sie dachte sich: Was habe ich denn zu verlieren, wenn der Mann mir meinen Sohn nicht gibt; die Polizei schnappt ihn sowieso.

Sie gab dem Entführer schließlich das Geld, und der schubste ihr das Kind herüber. Der Kidnapper rannte sofort los. Aber er kam nicht weit, denn die Polizisten sprangen aus ihren Verstecken hervor. Er hatte keine Chance, die Polizisten hatten ihn umkreist. Er wurde festgenommen und musste der Frau das Geld zurückgeben.

Nach einer Woche im Gerichtssaal sagte Peter Weber, der Entführer, dass er das Geld für Spielschulden gebraucht hätte. Der Kidnapper wurde zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt. Die Frau aber war überglücklich, dass sie ihr Kind wieder hatte.