Anton Maurer (10)

Familie Färber

Die Geschichte spielt im 16. Jahrhundert. Damals war Graz noch ein kleiner und bunt zusammen gewürfelter Häuserhaufen. Mitten in dem Städtchen lag der Färberplatz. Auf diesem Platz standen einige unscheinbare Häuser. Das Größte davon gehörte der Familie Färber. Und diese Familie färbte ihre Sklaven im wahrsten Sinne des Wortes ein. Frau Färber aber trieb es am schlimmsten. Wenn einer ihrer zahlreichen Sklaven auch nur einmal vergaß, den Ofen einzuheizen oder ihre Katze zu füttern, tanzte ihm auch schon die Peitsche über den Rücken.

Eines Tages schickte das Teufelsweib einen der Sklaven in den Keller, um Kartoffeln zu holen. Sie gab ihm dafür eine halbe Minute Zeit. »Sonst wirst du wieder mit der Peitsche gekitzelt, wenn du länger brauchst.« Das waren die typischen Worte von Frau Färber.

Der Sklave stürmte in den Keller. Als er schon die Kartoffeln in der Hand hielt, ließ er sie wieder fallen und begann zu weinen. Er wusste, dass er es in dieser kurzen Frist nicht schaffen konnte. Als er so jämmerlich heulend auf einem Sack Kartoffeln saß, stand plötzlich ein kleines, grün gekleidetes Männchen mit einer roten Feder im Hut vor ihm und fragte: »Warum heulst du?« Der Sklave erzählte es dem Männchen.

»Na, wenn es sonst nichts ist«, meinte das grüne Kerlchen. »Dann kann ich dir sicher helfen. Da habe ich allerdings zwei Bedingungen. Erstens musst du die Hexe morgen früh in den Keller schaffen, weil ich sie so leichter in die Hölle bringen kann, und zweitens musst du mir ihre Seele versprechen. Schaffst du es nicht, so gehört deine Seele mir.«

Dem Sklaven schauderte zwar, weil er jetzt wusste, mit wem er es zu tun hatte, aber er unterzeichnete den Vertrag trotzdem. Mit einem Blutstropfen. Der Teufel ließ noch ein höhnisches Lachen hören und verschwand dann ebenso spurlos, wie er gekommen war. Der Sklave schlich mit leicht zitternden Knien aus dem Keller.

Am nächsten Tag taten ihm noch alle Knochen weh. Von den Peitschenhieben, die ihm Frau Färber verabreicht hatte. Er war wild entschlossen auf Rache. Der Teufel hatte ihm ja versprochen ...

»Moment«, dachte der Sklave geschockt. »Der Teufel hat ja gesagt, dass ich das Teufelsweib selbst in den Keller schaffen muss.« Dem Sklaven kamen die Tränen. Aber dann besann er sich und dachte nach. Und schließlich hatte er einen guten Plan. Er machte die Kellertür weit auf und versteckte sich in einer daneben liegenden Nische.

Es war aber auch höchste Zeit. Frau Färber war gerade aufgestanden und ging schnurstracks auf die Kellertür zu, um sie zu schließen. »Jetzt oder nie!« dachte sich der Sklave und fasste sich ein Herz. Er schlich leichtfüßig aus seiner Nische heraus und stieß Frau Färber mit aller Kraft die Treppe hinunter. Kopfüber polterte die völlig Überrumpelte in den Keller. Stöhnen. Einige Sekunden verstrichen. Der Sklave fürchtete schon, dass die Hexe schneller als der Teufel sein könnte, und versteckte sich entsetzt in seiner Nische. Da ertönte plötzlich ein derart gellender Hilfeschrei, dass dem Sklaven fast das Trommelfell platzte. Dann hörte man nur noch höhnisches Lachen und ein Bumsen. Der Teufel hatte Frau Färber geholt.

Kurz nach dem wohlverdienten Tod des Scheusals starben auch die anderen Familienmitglieder der Färbers. Und weil den Leuten der Name so gut gefiel, tauften sie den Platz Färberplatz. Was aus dem Sklaven geworden ist? Der hat sich eine Frau genommen, mit der er jetzt das Wirtshaus Gambrinuskeller am Färberplatz besitzt.