Anton Maurer (10)

Herr Nett

Ich habe einen Nachbarn, den ich nicht leiden kann. Herr Nett ist sein Name. Nett ist er aber wirklich nicht. Ekelhaft ist er. Gerade erst gestern hat er meinen Gartenschuppen in Brand gesetzt. Ein Freund, der bei mir war, und der bei der Anzeige, die ich selbstverständlich gegen Herrn Nett machte, eigentlich mein Zeuge hätte sein können, hielt sich zurück. Wahrscheinlich fürchtete er, dass Herr Nett sich rächen würde. Das Gericht jedenfalls war stur. Es gab zwei Gründe, warum man mir nicht glaubte: Erstens, weil ich keinen Zeugen hatte – denn mein Freund stand mir ja aus Angst nicht bei – und zweitens, weil Herr Nett zur Polizei gehört. Und die Herren vom Gericht bekamen es in ihre Dickschädel nicht hinein, dass auch ein Polizeibeamter ein Verbrecher sein kann.

Der Gerichtsvollzieher sagte mir, ich könne froh sein, dass ich wegen »falscher Anzeige« keine zu große Strafe bekam. Ich war aber nicht froh. Zähneknirschend zahlte ich die geforderte Strafe von 10.000 Schilling. Einmal wanderte ich sogar für zwei Tage ins Gefängnis, weil ich Herrn Nett – als mein Geduldsfaden riss – einen heftigen Kinnhaken versetzt hatte.

Heute hat er mir schon ein Fenster eingeschlagen. So sitze ich nun also da und überlege, wie ich meinem Gegner eins auswischen könnte. Plötzlich ertönt ein seltsames Geräusch, und als ich aufblicke, steht ein blaues Wesen mit einer Hakennase vor mir. Ein Dschinni! Er spricht: »Ich weiß, welch übler Bursche Herr Nett ist. Du brauchst es mir nicht erzählen. Ich bin gekommen, um dir zu helfen.« Er schnipst mit den Fingern und sagt: »Als Strafe für seine Bösartigkeit wird Herr Nett dein Diener sein.« Dann löst er sich in Luft auf.

Kaum habe ich mich von meiner Verwunderung erholt, geht die Tür auf, und Herr Nett kommt herein. Er macht eine Verbeugung vor mir und leiert: »Habe ich die Ehre, Ihnen einen Kaffee zu machen?«

Mir steht der Mund offen vor Verwunderung. Deshalb nicke ich nur. Wie ein geölter Blitz schießt er in die Küche. Jetzt erst wird mir klar, dass ich einen Fehler begangen habe. Herr Nett wird mir den Kaffee sicher vergiften oder wenigstens ein Betäubungsmittel hineinmischen. Von ihm ist nichts anderes zu erwarten.

Schon kommt er zurück, verbeugt sich vor mir und stellt den Kaffee auf den Tisch. Misstrauisch beäuge ich den Kaffee. Nichts zu sehen. Probeweise nippe ich ein bisschen daran. Köstlich. Mit einem Schluck stürze ich den Kaffee hinunter. Jetzt erst bemerke ich, dass ich durch den Dschinni einen guten Diener gefunden habe. Sofort befehle ich Herrn Nett, drei Liter von dem köstlichen Gebräu zu machen. Hinterher muss er aufräumen, abwaschen, meinen kaputten Radio reparieren usw. Den ganzen Tag lang muss er für mich schuften. Am Abend steht der Dschinni wieder vor mir, lächelt und schnipst wieder mit den Fingern. Da geht Herr Nett plötzlich stumm aus der Wohnung. Freunde sind wir zwar nicht geworden, aber wenigstens spielt Herr Nett mir nun keine üblen Streiche mehr.