Lisa Heidinger (10) 4. Preis

Die Zeit läuft

Oh, nein! Er ist schon wieder zu spät dran! "Das darf doch nicht wahr sein!" Herr Stressig kommt wieder einmal zu spät. Es ist schon dreiviertelsieben. Um sieben Uhr müsste er bei der Arbeit sein.

Er beeilt sich so sehr, doch er ist viel zu müde, um aufzustehen. Schließlich, zehn vor sieben, begibt er sich verschlafen aus dem Bett.

Herr Stressig wird so von den Leuten genannt, weil er immer zu spät aufsteht und deswegen Stress hat.

Das Problem ist: Wenn er Stress hat, keift er jeden an, der in seine Nähe kommt. Darum hat er auch keine Familie, weil er in der Früh so grantig ist.

Herr Stressig zieht also in Schallgeschwindigkeit sein Gewand an. Naja, nicht ganz. Er versucht es..........

Oje! In der Eile ist er mit beiden Beinen in ein Hosenbein gestiegen. Jetzt sitzt er fest, weil er weder aus dem Hosenbein raus kann, noch rein. Laut schimpfend hüpft er zu einem Regal, holt die Schere aus einer Schublade und schneidet das Hosenbein auseinander.

Endlich hat er eine andere Hose gefunden. Murrend zieht er sie an. Als er die Socken anzieht, merkt er, dass einer der Socken ein Loch hat. Schnell holt er Zwirn und Nadel und tatsächlich, stopft er in aller Früh das Loch.

Als er damit fertig ist,schaut er auf die Uhr. Es ist zehn nach sieben. Schreiend fährt Herr Stressig aus dem Sessel hoch, zieht die Socken an und gelt sich die Haare.

Jetzt sucht er sein Hemd. Es ist nirgends zu finden. Sein Blick fällt auf den Hundekorb von seinem Hund Rexi (Ja, er hat auch einen Hund, einen nicht sehr glücklichen, versteht sich).

Um dem stechenden Blick des Herrls zu entkommen, kriecht der Hund schnell aus dem Korb und verschwindet unter Herrn Stressigs Bett.

Das Herrl schaut wie gebannt auf den Hundekorb.

Sein lieber kleiner Hund Rexi hatte doch tatsächlich auf Herrn Stressigs Hemd geschlafen! Auf dem Hemd sind jetzt lauter Schlammpatzen und Rexi hat noch etwas Unappetitliches draufgemacht, dessen Namen ich jetzt nicht erwähnen will.

Das Herrl kocht vor Wut: "Du Schweinehund!"

Franz, wie der Vorname des Mannes ist, ruft das jede Früh zu seinem Hund.

Der weiß jetzt mittlerweile schon, dass das nicht persönlich gemeint ist. Rexi winselt, denn das ist soviel wie eine Versöhnung.

Heute muss Franz also nur mit Pullover zur Arbeit gehen. Schnell zieht er den Pullover an, der auf einer Seite ganz auseinanderfällt, weil sich eine Naht gelöst hat.

Es ist schon halb acht. Franz flucht und zieht schnell die Schuhe an. 1. merkt er nicht, dass er zwei verschiedene Schuhe anhat, und 2. hat er sie verkehrt an.

Franz trinkt schnell einen Tee und stellt die halbvolle Tasse wieder auf den Tisch. Die Tasse balanciert gefährlich am Rand, doch das stört ihn nicht. Frühstück isst er nie, denn dazu müsste er eine halbe Stunde früher aufstehen und dazu hat er keinen Bock.

Doch der Franz lasst immer die Schuhbänder offen, weil das Binden zuviel Zeit kostet und so kommt es, dass sich ein Schubandl am Sessel verheddert. Der Franz gibt dem Bandl einen Ruck, der Sessel kippt, genau auf den Tee und dieser wiederum dem Franz auf's Gewand. Er macht einen Aufschrei, weil der Tee so heiß ist.

Fluchend rennt er in die Küche. Dabei fliegt er über seine eigenen Latschen. Jetzt hat er nicht nur ein paar Brandblasen, sondern auch noch eine blutige Nase. Franz wischt sich voller Schmerz den Tee und das Blut weg und läuft in den Garten.

Fünf Minuten nach halb acht!

Die Teeflecken noch immer auf dem Gewand, schwingt er sich auf sein Rad (Wenn man dieses mühsame Kraxeln eigentlich "Schwingen"nennen kann) und fährt zur Firma, in der er arbeitet.

Als er ankommt, ist es dreiviertel acht und Franz stürmt ins Zimmer vom Chef, weil er sich (wie jedenTag) fürs Zuspätkommen entschuldigen will.

Während er den Gang entlang, Richtung Direktion geht, kommt ihm (wie jeden Tag) die Putzfrau entgegen.

Franz geht an ihr vorbei und erwartet, dass sie ( wie jeden Tag ) zu ihm sagt: "He, Franz, nicht so schnell! Du gehst ja mit Übergeschwindigkeit! Vorsicht, hier sind Radargeräte aufgestellt!"

Doch heute sagt sie nichts. Sie geht nur (wie nicht jeden Tag ) kopfschüttelnd an ihm vorbei.

Als er in der Direktion angekommt, sitzt sein Chef schon - wie gewohnt im Lehnstuhl - und raucht Zigarre.

" Guten Tag! "

" Oh, hallo Franz! Wie ist das möglich, dass du um zehn Minuten zu früh da bist?"

Franz bekommt große Augen:" Zu früh? Machen sie sich über mich lustig? Ich bin um 50 Minuten zu spät dran!"

Der Chef schaut auf die Uhr. "Aber es ist erst zehn vor sieben!" antwortet der Vorgesetzte, während er die Teeflecken, die Schuhe, und die noch etwas blutige Nase beäugt.

Franz schaut auf die Uhr und schreit: "Es ist zehn vor acht! Sehen sie selbst! " und er montiert die Uhr vom Handgelenk und wirft sie dem Chef vor die Nase.

Lange starrt der die Uhr an.

Nach einer Weile beginnt er laut schallend zu lachen. "Du Dummkopf! Du hast ja noch nicht auf Winterzeit umgestellt!" ruft der Chef, während er Franzens Uhr um eine Stunde zurückdreht.

Franz nimmt die Uhr, gibt sie aufs Handglenk und geht steifen Schrittes, wie ferngesteuert, in sein Büro.

Dabei war sein schönster Traum in Erfüllung gegangen: Er war einmal im Leben der Zeit voraus gewesen und denkt bei sich: "Es ist wohl schön, der Erste zu sein."

Und von nun an, steht er immer um sechs Uhr auf, fällt nie mehr auf die Nase, beschimpft nie mehr seinen Hund, findet immer sein Hemd, zieht nie mehr verschiedene Schuhe an, schüttet nie mehr den Tee auf sich drauf, isst immer sein Frühstück und wird nie mehr von der Putzfrau gehänselt.

Er ist wie jeder normale Mensch, und vor allem: Er vergisst nie mehr, auf Sommer- und Winterzeit umzustellen.

 

Zum Schluss noch ein kleiner Reim:

Der Franz, der, ist jetzt ganz normal
und er hat nie mehr Unglück
Er steht um sechse auf, ganz pomal
und isst immer sein Frühstück.
Der Hund, der fühlt sich wieder wohl
und schläft auf dicken Decken,
Er läuft zum Franz, der Gang ist hohl
und darf ihn immer wecken.
Nun hör gut zu, und merk dir das,
die Zeit ist schon sehr wichtig.
Ohne sie, machts Leben keinen Spaß
und stell die Stunden richtig!