Eva Maria Fleissner (13)

Der Keller

»Eva, könntest du mir ein paar Kartoffeln vom Keller holen?« bat mich meine Mutter. Warum ausgerechnet ich immer die Arbeit machen musste, wusste ich zwar nicht, aber es war mir auch klar, dass jede Widerrede zwecklos war. Wahrscheinlich tat sie das nur, um mir die Angst vor diesem Raum zu nehmen.

Unentschlossen stand ich nun vor der Kellertür. Sollte ich die Tür öffnen oder lieber doch meine Schwester mit Süßigkeiten bestechen, die Arbeit für mich zu erledigen? Nein – sie würde mich nur für einen Angsthasen halten und schlechte Gerüchte über mich verbreiten.

Zaghaft griff ich nach der Türklinke und drückte sie nieder. Die Tür sprang auf. Ein eiskalter Wind wehte mir entgegen und ein Blick in die Dunkelheit genügte, um zu wissen, dass es all meinen Mut erfordern würde, den Weg bis zum Lichtschalter zu gehen. Als ich ihn endlich erreicht hatte und auf den Knopf drückte, fiel ich vor Schreck fast um. Oje, das auch noch! Jetzt war doch tatsächlich eine der beiden Lampen kaputt!

Der Raum war in Zwielicht getaucht und wirkte noch unheimlicher. Schwarze Schatten malten sich auf den Boden, und ich hatte das Gefühl, von vielen Soldaten umzingelt zu sein. Ich hatte nur noch einen Wunsch: Ich wollte aus diesem Keller heraus. In Panik rannte ich zur Tür, doch soweit kam ich nicht. Ich stolperte und stürzte zu Boden. Es dauerte einige Minuten, bis ich mich von dem Schock erholt hatte und aufstehen konnte. Obwohl ich nichts wie weg wollte, drehte ich mich noch einmal um, um herauszufinden, worüber ich gestolpert war. Ich blickte zu Boden und konnte eine kleine Erhebung auf dem Holzboden ausmachen. Ich trat näher und bückte mich.

Es war eine kleine Holzplatte, an der ein Eisenring angebracht war. Neugierig geworden, packte ich den Ring mit beiden Händen und zog mit aller Kraft daran. Es rührte sich nichts. Ich wagte noch einen Versuch, und diesmal klappte es. Die Holzplatte klappte zur Seite und gab mir den Zugang zu einem weiter unten liegenden Raum frei. Gab es etwa einen versteckten Raum in unserem Keller? Ich untersuchte das Loch näher und entdeckte eine Leiter, die nach unten führte. Meine Neugierde war stärker als meine Angst, und so kletterte ich die Leiter hinunter.

Der Boden bestand nur noch aus Erde, die Luft war abgestanden, und es roch moderig. Anscheinend war diese Falte schon länger nicht mehr geöffnet worden.

Der Raum war sein klein, und ich konnte trotz des spärlichen Lichts erkennen, dass sich keine Möbel darin befanden.

Plötzlich sah ich zwei rote Lichter, die sich auf mich zubewegten. Ich bekam es mit der Angst zu tun. War das etwa ein Geist? Ich glaubte zwar nicht an Geister, aber jetzt zweifelte ich nicht daran, dass es sie gab. Unaufhaltsam kamen die roten Lichter näher.

»Nichts wie weg«, dachte ich mir und eilte zur Leiter zurück, doch die Lichter ließen sich nicht aufhalten und verfolgten mich. Ich kletterte über die Leiter hinauf, rannte aus dem Keller hinaus und eilte in die Küche, wo ich mich umdrehte und zu meiner großen Erleichterung eine Maus sah. Gott sei Dank war der vermeintliche Geist nur ein Produkt meiner Fantasie gewesen, und es handelte sich um eine Maus, die mich mit ihren rotglühenden Augen angestarrt hatte und mir bis in die Küche gefolgt war.