Laura Bragagna (10)

Wirf mich niemals weg!

Hallo, ich bin ein … hach, ist das peinlich! Ich bin ein Sessel. Ich hatte vor genau einem Monat ein riesiges Problem.

Also, mein Herrchen kam eines Tages, wie üblich, von der Arbeit und stellte einen sehr schweren Einkaufssack auf mich. Uff, der war vielleicht schwer! Zu gerne hätte ich gesehen, was ich da schleppe, doch das änderte sich gleich. Mein Herrchen packte aus. Doch, iiih! was sind denn das für welche? Die sehen ja aus wie Sessel ohne Lehne! Eine kurze Zeit lang wunderte ich mich, doch da sagte mein Herrchen: »Hach, ihr seid ja so wunderbare Hocker!«

Was?! Wunderbar? Die sehen ja zum Kotzen aus! Ich platzte halb vor Neid! Grrr!! Knurrr! Aber das war noch nicht das Schlimmste. Auch mein Frauchen, das dann von der Arbeit kam, war ganz begeistert von diesen Hockern. Schnell sagte sie: »Und wofür brauchen wir dann noch den?« Sie zeigte auf mich. Ach, ich war ja so traurig!

Da sagte mein Herrchen: »Du hast recht, Schatz. Ich werde ihn zum Schrottplatz führen, aber zuerst wird abendgegessen, ja?«

Das war das blödeste Abendessen in meinem ganzen … äh, Leben. Warum? Weil mich mein Herrchen in den Keller gebracht hat. Sie wollten lieber auf einem Hocker sitzen.

Als zwei Stunden vergangen waren, öffnete mein Herrchen endlich die Kellertüre. Dann schleppte er mich stöhnend in sein Auto. Kurz fühlte ich mich wie ein Mensch, aber als wir vor dem Schrottplatz parkten, waren die schönen Gefühle wieder vorbei. »Jetzt ist es aus mit mir«, dachte ich, denn mein Herrchen schleuderte mich mit enormer Wucht auf einen Schrotthaufen. Beim Aufprall verlor ich ein Bein. Der Fernseher, auf den ich fiel, bekam eine Delle.

»Tschuldigung«, sagte ich und sah mich dann an. Jetzt war ich wirklich nicht mehr so schön wie ein Hocker.

Vier Stunden später sah ich ein sehr bekanntes Auto auf dem Parkplatz. Mein Herrchen! Was hatte er da mit? Einen Hocker! Er besaß kein einziges Bein mehr. Ich hörte, wie mein Herrchen zu dem Hocker sagte: »Schade, dass du eingebrochen bist, als ich mich auf dich setzen wollte.« Und so schmiss er ihn auf einen Haufen voller Müll.

Dann suchte er irgendetwas. Etwa mich? Nein, sicher nicht! Doch wirklich! Als er mich sah, rannte er glücklich zu mir auf den Schrotthaufen. Als er sah, dass ich nur noch drei Beine hatte, glaubte ich, daß er mich nicht mehr will, aber er sagte nur: »Macht nix, kann man kleben!«

Er fuhr mit mir los. Ich sah noch grinsend dem Hocker nach und dann weg. Zu Hause stellte mich dann mein Herrchen auf den alten Platz. Gleich bekam ich ein neues Bein.

Ja, das war mein größtes und schönstes Erlebnis. Ciao! Ich hoffe, ihr verliert kein Bein!