Martin Bangratz (11)

Unterlands Auferstehung

Als Luca an diesem Morgen aufwachte, ahnte er nichts von dem, was an diesem Tag geschehen würde. Das heißt, er ahnte es ungefähr. Sie würden an diesem Tag einen Klassenausflug in die Katakomben unter der Stadt machen.

»Und das hier ist die sogenannte ‚Pestgrube‘. Wenn die Leute im Rest der Katakomben keinen Platz mehr hatten, schmissen sie die Gebeine einfach hier in dieses Loch«, hallte die Stimme des Lehrers durch die Katakomben. Normalerweise würde dieser Text sehr interessant klingen, doch Huber, Lucas Klassenlehrer, schaffte es, sogar das langweilig klingen zu lassen.

Angeekelt starrte Luca in das ungefähr zwei Meter Durchmesser betragende, schwarze Loch. Inzwischen hatte sich die Gruppe schon wieder entfernt, doch Luca merkte es gar nicht.

Und noch etwas bemerkte er nicht: wie morsch das Geländer schon war. Zu spät. Plötzlich saß er mitten auf einem Berg staubiger Knochen. Wie durch ein Wunder war er nicht verletzt. Zum Glück erschien in dem Moment das Gesicht eines Klassenkameraden über ihm. »Schnell, hol Hilfe!« schrie Luca. Das Gesicht verschwand.

»Nanu«, dachte Luca, »er wird doch nicht schon wieder zurück sein.« Da meinte er, Schritte zu vernehmen. Dann wurden die vermeintlichen Schritte allerdings zu einem Rascheln. Immer lauter und lauter wurde es.

Plötzlich bebten die Knochen unter ihm und ein irrsinniger Staub wurde aufgewirbelt. Der Boden sackte buchstäblich unter ihm zusammen. Wieder wurde er wunderlicherweise nicht verletzt. Trotzdem riss er instinktiv die Hände nach oben, was auch gut so war, denn einige dieser aus der Höhe herabfallenden Knochen hätten gut einen Menschen erschlagen können.

Er sah sich um. Er befand sich nun in einem Raum, in dem sich etliche Gewölbe erstreckten. Langsam schlich er auf eine Öffnung, die er in der Wand entdeckt hatte, zu. Vorsichtig kroch er hinein. Wieder kam er in einen Raum. Diesmal entdeckte er eine Tür am anderen Ende des Raumes. Wo er schon einmal da war, versuchte er, sie zu öffnen. Es ging leichter, als erwartet.

Zu spät bemerkte er allerdings das Zeichen, das in die Wand gemeißelt war. Als ihm einfiel, was es bedeutete, war es schon zu spät. Es war ein Druidenfuß. Damit konnte man einen Teufel heraufbeschwören oder verschwinden lassen.

Der Boden unter seinen Füßen bebte. Er spürte plötzlich einen leichten Druck, als würde er mit einem Lift nach oben fahren.

Auf einmal drehte sich alles, und es war, als würden zwei Welten ineinander verschmelzen. Auf einmal sah Luca den Himmel wieder, allerdings war er schwarz wie die Nacht.

Da verstand er. Die Katakomben und die normale Welt hatten »getauscht«. Die dunkle Welt der Toten war oben und die normale Welt unter der Erde. Und es war alles nur seine Schuld.

Er musste es wieder gut machen. Er wusste nur nicht, wie. Doch er dachte noch nicht zu Ende, da stand plötzlich eine grauenhafte Figur mit unförmigen, scharfen Krallen, die eigentlich aussah wie ein Mensch, vor ihm. Sie hatte Hufen als Füße und spitz zusammenlaufende Ohren. Auf der Stirn hatte sie zwei kurze, rötliche Hörner. Vor Luca stand der Teufel persönlich.

Luca dachte, sein letztes Stündlein hätte geschlagen. Doch plötzlich sank der Teufel zu seinen Füßen und heulte mit rauher Stimme: »Bitte, bitte mach, dass ich und mein Volk wieder unten sind!«

Zuerst begriff Luca überhaupt nichts. Doch dann fasste er sich wieder und freute sich, auf einen so kümmerlichen Teufel zu stoßen.

»Ich selbst kann das Tor, aus dem ich gekommen bin, nicht wieder schließen! Aber du kannst es«, sagte die kümmerliche Gestalt.

Den Gefallen tat ihm Luca gerne. Immerhin wäre dann hoffentlich alles wieder wie früher.

Also zog er los, um das Tor zu finden. Die Gegend hatte sich nämlich so verändert, dass er das Tor nicht sehen konnte. Kaum war er um die Ecke, da stürzte sich auch schon das nächste Ungeheuer auf ihn. Es schien die Tür bewachen zu wollen.

Luca sprang auf und rollte sich zur Seite. In dem Moment krachte das Ungetüm gegen die Wand. Luca nutzte die Gelegenheit und sprang ihm auf den Rücken. Das Monster stand auf und versuchte, ihn abzuschütteln. Luca riss ihn an den Haaren, fuhr ihm in die Augen und versuchte, ihn niederzutreten, bis er umkippte. Zuerst wankte er nur ein bisschen, dann fiel er genau auf den Rücken und somit auf seinen Verfolger.

Gerade noch erreichte er das Tor und schlug es zu. Kurz wurde eine Druckwelle hineingezogen, dann war alles wieder beim alten. Er hatte es geschafft.