Martin Bangratz (10) 7. Preis
Der Zwerg, den der Tod nicht wollte
Vor langer, langer, langer, langer, langer, langer Zeit lebte einmal (und müsste immer noch leben, wozu wir später kommen) ein Zwerg, den die anderen Zwerge immer hänselten. Tagein, tagaus schien ihnen nichts mehr Spaß zu machen, als über ihn zu lachen.
Als sie ihn also einmal ärgerten, lief er in seiner Verzweiflung tief in den Wald hinein. Schluchzend setzte er sich auf einen Stein und dachte über sich nach.
»Ich bin doch sowieso nur da, damit die ihren Spaß haben! Wieso sollte ich eigentlich noch leben?« überlegte er.
Immer weiter steigerte er sich in den Gedanken hinein, nicht mehr leben zu wollen. So weit, dass er mit voller Wucht mit dem Kopf gegen einen Baumstumpf rannte. Doch es tat ihm überhaupt nichts!
»Na gut«, dachte er, »dann eben anders«, und ging auf die Schlucht zu, in der er sich manchmal versteckte. Gut zehn Zentimeter ging es da runter (für Zwergen gute zehn Meter). Da drinnen wollte er sein Schicksal finden und sich hinein stürzen. Er sprang und ...
... kam unten mit einem Plumps auf ...
Nichts. Er saß da und starrte nach oben. Er konnte es nicht fassen, dass ihm nichts passiert war.
Doch so schnell gab er nicht auf. Von den Dämonklippen sprang er, er ließ sich in Treibsand versinken und hüpfte in den Krater eines Vulkans. Doch er schwamm und tümpelte in der Lava herum wie in einem Schaumbad. Nichts konnte ihm etwas ausmachen.
Als er in seinem Bett lag, dachte er darüber nach, wieso er nicht verwundbar war. Es klopfte an seine Tür. Erschrocken richtete er sich auf. Hatte er sich verhört? Nein, da war es wieder! Er ging auf die Tür zu und öffnete sie plötzlich ruckartig.
Draußen stand der Tod.
»W... willst du mich endlich holen?« stotterte der Zwerg ängstlich, und doch etwas erfreut, dass der Tod ihn endlich gefunden hatte.
»Nein, ich will dir nur sagen, dass du aufhören kannst, zu versuchen zu sterben! Wann du stirbst, bestimme immer noch ich!« entgegnete dieser mit rauher Stimme und verschwand in der Dunkelheit.
Doch der kleine Mann machte weiter. Alles Mögliche versuchte er. Bis es dem Tod zuviel wurde. Er kam abermals zum Zwerg und gebot ihm, um Mitternacht in seine Schlucht zu kommen.
Das tat der Zwerg, weil er dachte, der Tod hätte endlich nachgegeben. Mit einer Laterne kam er pünktlich an. Auch der Tod war schon da. Er winkte dem kleinen Wicht, er solle kommen. Doch auf halbem Weg ergriff den Kobold ein Sturmwind, wie er ihn noch nie erlebt hatte. Es war ein ewiger Tornado. Wer da hineingerät, lebt ewig. Das war die Strafe des Todes dafür, dass er nicht dann sterben wollte, wenn der Tod es bestimmte, sondern schon vorher.
Er ließ überhaupt das ganze Zwergendorf vom Tornado verschlucken. Schließlich waren die Anderen nicht gerade unbeteiligt an der Geschichte. Da drinnen mussten sie lernen, miteinander auszukommen.
Heute ist in der Gegend eine Wüste, und wenn man beim Durchqueren nicht aufpasst, wird man vom Tornado verschluckt. Den gibt es nämlich immer noch.