Sommerschreibzeit Graz 2005 Tagebuch | |
Um 4.10 Uhr begann mein Wecker zu randalieren. Ich weiß nicht, wieso ich mich darauf eingelassen hatte, aber für einen Rückzug unter meine Decke war es zu spät. Ich drängte also meine Mutter, die mir mitten in der Nacht noch diverse Regenmäntel in die Reisetasche schieben wollte, wieder ins Bett zu gehen, und machte mich auf den Weg zum Bahnhof. Ich war pünktlich um 5.47 Uhr in Linz und wartete eine knappe Stunde auf Vincent, dessen Zug selbstverständlich nicht püntklich war. Ich verwendete die Zeit, indem ich den Busfahrer, der uns nach Graz hätte bringen sollen (Der Schnellzug wird auf dieser Strecke üblicherweise als Bus geführt) drängte, auf einen verspäteten Schreiberling zu warten. Dieser war ein Kulturbanause und fuhr daher wie vorgesehen um 6.14 Uhr ab. Als
Vincents EuroNight dann doch noch eintraf, warteten wir bis 7.58
Uhr, um mit einem wesentlich langsameren Zug (oder vielmehr Bus)
in Richtung Graz zu fahren. Ich hätte auch zwei Stunden
länger schlafen können, aber so unterhielten wir uns
eben darüber, wer mehr Nachteile für sich verbuchen
konnte - die Deutsche Bahn oder die ÖBB. Anton Mein Zug sollte eigentlich 23:26 in Jena Paradies sein, allerdings hatte dieser 50 Minuten Verspätung, und 10 Minuten vor der wirklichen Abfahrt wiedersprach der Bahnhof auch noch seinem Namen und es fing an, in Strömen zu regnen und zu gewittern. Aber sehr nass wurde ich nicht, im Gegensatz zu meiner Mutter, welche noch zurück zum Auto gehen musste, als ich mich schon längst auf meinem unbequemen Sessel, welcher mein Bett für diese Nacht sein sollte, saß. Wer jemals eine Nacht in einem 6-er Abteil war, das mit 5 Leuten besetzt ist, weiß, wie schwer man einschlafen kann, allen anderen wünsche ich, dass sie es niemals erleben, es ist ein Gefühl, als wäre eine Minute unendlich lang (was nicht stimmte) und als hätte man zu wenig Platz für die Beine (was stimmte). Kurz nach Saalfeld schaffte ich es dann, endlich einzuschlafen, allerdings wachte ich kurz vor Passau wieder auf und merkte in Passau, dass wir immer noch 50 Minuten Verpätung hatten und dass ich damit höchstwahrscheinlich meinen Anschlusszug in Linz verpassen würde. Nun machte ich mir Sorgen, dass Anton ohne mich in Linz ... Vincent Sonntag, 17. 07.2005 Als wir um 8.20 Uhr das Bett verlassen mussten, waren einige
von uns noch ohne Erwartungen. Planmäßig frühstückten
wir, setzten uns nachher in Gruppn zusammen und definierten den
Bagriff Gewalt. Nun hatten wir Inspiration zum Schreiben gefunden
und arbeiteten nur so drauf los. Magdalena und Veronika Montag, 18.07.2005 - Graz Dieser Tag hatte von Anfang an eine klare Überschrift
- Fahrt nach Graz. Diese Leuchtbuchstaben hingen seit dem Aufstehen
über den Köpfen aller. Natürlich war bis zum ersehnten
Ausflug noch einiges zu tun - schließlich durfte man nicht
vergessen, wozu wir hier waren! Also musste erst die erste Kritikrunde
heil überstanden werden. Selbst bei nur sieben Personen
nahm diese Arbeit einige Zeit in Anspruch, denn zu jedem Text
wurde eine Menge Kritik geäußert, positive wie negative.
Aufgelockert durch einige der üblichen interessanten und
höchst informativen Diskussionen - wer hat nicht schon immer
mal davon geträumt, gleich nach dem Frühstück
über die semantische Gewichtung des Wortes 'Hure' zu grübeln
-, brachte diese erste Runde schon mal Einblicke in die Arbeit,
die wir alle in der kurzen Zeit bereits geleistet hatten. Schon
wurden zwei Texte für eine kleine Lesung im Rathaus auserwählt,
um mit Nachdruck den Nutzen der Schreibwerkstatt zu zeigen. Obwohl der Fremdwortexperte Georg P. durchaus glaubwürdig
vermittelt hatte, dass die Biene Maja in der Märchengrottenbahn
aus Polyethylen-Schaum hergestellt worden war, hielt diese These
der Überprüfung durch Anton, Vincent, Lisa und Sabine
nicht stand - nach einer Fahrt in der Märchengrotte stand
fest, dass sie aus Stahl und Plastik bestand. Vincent und Anton
wollten die Enttäuschung über diese Entdeckung ertränken,
was sich allerdings schwierig gestaltete, da das Becken mitten
in der Grazer Altstadt nur 30 Zentimeter tief war. Dennoch schafften
sie es, ein Wettschwimmen abzuhalten und mit einer etwa 2-Jährigen
Wasserball zu spielen. Martha + Sabine
Dienstag, 19.07.2005 Im Text enthaltene, unverständliche Begriffe sind mit einem * Stern gekennzeichnet. Diese sind im beiliegenden Wörterbuch für das allgemeine Verständnis nachzuschlagen. In der
Früh bekamen die meisten von uns Nachwuchsschriftstellern*
wie immer kein Auge auf, weil die Gesprächsrunden am Vortag
natürlich wieder bis spät in die Nacht hinein gedauert
hatten (wenn das meine Eltern wüssten! Ich muss doch sonst
immer um halb sieben ins Bett!). Das Erklimmen der 84-stufigen
Fitnesstiege* war wie jeden Morgen eine Qual (eine gesunde
zwar, aber doch eine Qual), nur die Sehnsucht nach unseren Muttis*
trieb uns die stark ansteigende Treppe hinauf, wobei wir natürlich
nach der gestrigen Begegnung mit einer sich sonnenden Kreuzotter*
(das arme Tier erschrak vermutlich mehr vor uns, als wir vor
ihr) aufpassten, wo wir hintraten. Das
Interessanteste des Tages waren zweifelsohne die Nachtgespräche.
Diese begannen für gewöhnlich ab 22.00 Uhr und wurden
bis spät in die Nacht von Johannes und Georg* geführt.
Das Ungewöhnliche an diesen Gesprächen war die Themenwahl
(Pornos für Pandas, "Woher weißt du, dass das
keine Sauerkirsche und keine Weichsel, sondern eine Süßkirsche
ist?" etc...) sowie die häufige Benützung von
ungebräuchlichen Fremdwörtern (Polyethylenschaumbienenimitat;
die Oppositionierung der Denaturalisierung oder ähnlichen
Quatsch, den ich nicht gecheckt hab) und die unnachmachlichen
Zitate, wie "Ein Porno kann ruhig unverständlich sein,
das Wesentliche bekommt man schon mit." oder "Alte
Männer rulez" oder "Wenn jemand nackt in deinem
Zimmer steht und fragt: "Bist du Steve?" Sag einfach
ja.". Wörterbuch Drehdings: Nicht standardmäßige Bezeichnung für eine Art Karussel für Kinder. Statt kleinen Pferdchen zum Daraufsetzen gibt es aber beim ~ alte Autoreifen, auf die man sich setzt. Anschließend muss einer das ~ antauchen, sodass es im Kreis fährt. Das ~ ist eine beliebte Freizeitbeschäftigung für alle -->Nachwuchsschriftsteller, auch wenn diese das zugelassene Gesamtgewicht übertreffen und auch nicht vorschriftsmäßig mit dem ~ fahren. Das Ziel des ~ ist es, selbiges so lange anzutauchen, bis allen Daraufsitzenden zum "Kotzen übel" ist. Fitnessstiege: lange, freiliegende Steintreppe. Heimatort für zahlreiche -->Kreuzottern, Schnecken und anderes Getier. Die ~ besteht aus 84 Stufen und dazwischen immer wieder ebenen Strecken. Sie steigt im 30°-Winkel an. Gehirn: in zwei Hälften geteiltes überlebenswichtiges Organ. Bei manchen Menschen mehr, bei anderen weniger ausgebildet. Eine der ~hälften ist für das kreative Denken ausgebildet, die andere eher für das analytische Denken. Besonders von ersterem besitzt ein -->Nachwuchsschriftsteller häufig viel (Bsp.: Fantasie), wobei zweitere meist zurückgebildet ist (Bsp.: Rechtschreibung). Ein --> Laptop kann die analytische ~hälfte meist teilweise ersetzen und ist daher für jeden -->Nachwuchsschriftsteller ein Muss. Johannes und Georg: Leiter der Werkstattwoche für die -->Nachwuchsschriftsteller. ~ pflegen sich mit ihrem Fremdwortschatz gegenseitig zu übertrumpfen, lieben angeregte Diskussionen über die Differenzen derr Österreichischen und Deutschen Sprache. Um einen Johannes oder einen Georg zu fangen, ist es daher ratsam, einfach zu fragen, warum es denn z. Bsp. in Österreich "Stockerl" und in Deutschland "Hocker" heiße. Kreuzotter: längliches, sich schlängelndes Reptil. Heimisch in den Ritzen und Spalten von -->Fitnessstiegen. Gefürchtet von -->Nachwuchsschriftstellern, da diese sich für gewöhnlich nicht im Freien aufhalten und sich darum vor diesem unbekannten Tier fürchten. Eine ~ greift für gewöhnlich jedoch keine -->Nachwuchsschriftsteller an, da diese das weiße Fleisch von selbigem nicht sehr schätzt. Es sei denn, ein -->Nachwuchsschriftsteller tritt auf die ~. Laptop: Ein ~ ist eine Art weiterentwickele Schreibmaschine. Er wird häufig von -->Nachwuchsschriftstellern benutzt, welchen er die Arbeit sehr erleichtert, dank einer sogenannten Software, die das fehlende -->Gehirn des -->Nachwuchsschriftstellers teilweise ersetzt. Mutti: liebevolle Bezeichnung für nette Kantinendame, leider mit Bewältigung der -->Fitnessstiege in Verbindung zu bringen. Eine ~ sorgt sich sehr um das Wohl von -->Nachwuchsschriftstellern und drängt stets zum Aufessen aufgetragener Speisen. Nachwuchsschriftsteller: Mensch, der noch nicht oder gerade erst Volljährig ist und sich einbildet, er könne literarisch wertvolle Texte verfassen. ~ sind meistens an ihrer weißen Haut zu erkennen, da der bevorzugte Lebensraum eines ~ meist eine dunkle, ruhige Kammer ist, wo er ungestört vor seinem -->Laptop arbeiten kann. Die Existenz einer Unterart des ~s, die sich des öfteren im Freien aufhalten soll, ist noch nicht erwiesen. Lisa
Mittwoch, 20.07.2005 Der
erste Höhepunkt des Tages war bereits um 0.00 Uhr erreicht,
als Johannes und Georg über ausgereifte Texte von Vierzehnjährigen
diskutierten und sich immer weiter ins Thema hineinsteigerten. Um 0.56 Uhr kam das Gespräch dann auf Weine und Katzen. So erfuhren wir, dass Georg das Alphamännchen seiner Katzen ist und seine Freundin nicht akzeptiert wird. Irgendwann begaben Georg und Anton sich zu Bett, und Sabine, Johannes und ich (Vincent) blieben zurück. Während sich zwei von den eben genannten mit Familienproblemen befassten, sagte einer nichts, hörte aber aufmerksam zu. In der Früh erinnerten wir uns nur mehr an diese nächtlichen
Gespräche, weil wir mitgeschrieben hatten. Wir warfen unsere
letzten Texte in die Kritikmühle und korrigierten sie anschließend.
Anton & Vincent |
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